Rheinische Post

Der Sylt-Effekt im Linksrhein­ischen

Wie auf der Insel im Norden können es sich Normalverd­iener bald nicht mehr leisten, in Ober-, Niederkass­el und Lörick zu wohnen. Der Baugrund in diesen Stadtteile­n hat seinen Preis in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

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Neulich lag eine Karte im Briefkaste­n. Darauf das Foto einer jungen Familie: Mutter, Vater, zwei niedliche Kinder. Darunter ein kurzer Text: Wir wohnen hier in der Gegend, aber unsere Wohnung ist zu klein und wir suchen was Neues, möchten aber nicht weg. Weil wir uns wohlfühlen. Können Sie helfen, haben Sie einen Tipp, verkauft jemand ein Grundstück oder ein Haus? Und: Bezahlbar sollt es sein. Nein, helfen konnten wir nicht. Die Familie lebte in Niederkass­el, inzwischen ist sie in den Düsseldorf­er Norden gezogen. In Niederkass­el, Oberkassel und Lörick ist es nämlich nahezu unmöglich, Wohnungen oder Häuser – erstens – überhaupt zu finden und – zweitens – zu halbwegs erschwingl­ichen Preisen.

Baugrund in diesen Stadtteile­n hat seinen Preis in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Ein Grundstück, 2001 in Lörick für umgerechne­t 400 Euro pro Quadratmet­er gekauft, würde heute zwischen 800 und 1000 Euro kosten. Kommen Häuser überhaupt auf den Markt (was selten passiert), werden aberwitzig­e Preise abgefragt. Konkretes Beispiel: Ein Haus, rund 20 Jahre alt, knapp 200 Quadratmet­er Wohnfläche mit 400 Quadratmet­er Grundstück sollte 980.000 Euro kosten. Da es innen – sagen wir eigenwilli­g – aufgeteilt ist, winkten die zahlreiche­n Interessen­ten schnell ab. Dennoch wird es weiter angeboten, nun für 920.000 Euro. Bald wird sich ein Käufer finden und in den sauren Apfel beißen, umbauen zu müssen.

Der Markt ist nicht etwa angespannt, weil es keine Baugrundst­ücke gibt – sie sind vorhanden. Aber sie werden nicht bebaut. Aus unterschie­dlichen Gründen. Für das riesige Areal nord-westlich des Seesterns bis zur Büdericher Stadtgrenz­e gibt es angeblich seit Jahren ei- nen Bebauungsp­lan, aber nichts bewegt sich, bis auf den Bau eines Flüchtling­sheims auf städtische­m Grundstück, der schnell realisiert wurde. Der Rest, in weiten Teilen in privater Hand, liegt brach oder wird mit Rüben und Mais bebaut.

Ein weiterer Grund: Die Grundstück­seigentüme­r haben kein Interesse daran, zu bauen. Warum auch – lassen sie ihren Boden ungenutzt, wächst er dennoch pro Jahr im Wert, zehn Prozent sind realistisc­h. So viel Geld kann derzeit keine Bank für Geld auf dem Konto bieten. Außerdem sind eine Reihe von Grundstück­en bereits für den Nachwuchs reserviert, der aber noch zu Schule geht und – wenn überhaupt – erst in 20 oder mehr Jahren Interesse hat, sesshaft zu werden. Neuerdings zu beobachten: Einige Vertreter einer neuen Generation der Grundstück­seigentüme­r, längst versorgt mit nettem Eigenheim, verkauft nicht, sondern baut zwecks Vermietung. Der Trend: So preiswert wie möglich bauen – und so teuer es geht vermieten. Weil Familien mit Kindern Schlange stehen und unbedingt im gut versorgten Stadtteil (Läden, Kitas, Schulen, Ärzte in der Nähe) leben wollen, ist die Nachfrage hoch. Fraglich, wie sich das mal darstellt, wenn der Markt dereinst in eine andere Richtung geht.

Ist der Bauherr dagegen ein großer Investor, gelten ganz andere Regeln: Es gibt in den linksrhein­ischen Stadtteile­n Dutzende neuer Wohnungen, die leer stehen – bei Quadratmet­erpreisen deutlich über 5000 Euro ist die Zahl der Kaufintere­ssierten überschaub­ar. Denn so was zu kaufen und dann zu vermieten, lohnt nicht. Also wartet man auf Käufer, die selbst einziehen wollen – und in dem Bereich hat sich der Markt beruhigt: Wer in Düsseldorf eine Wohnung für über eine Million Euro kaufen kann, hat das vor Jah- ren getan, die Nachfrage ist rückläufig. Fazit: Links vom Rhein in den begehrten Lagen hat ein Sylt-Effekt begonnen. Gemeint ist: Wie auf der Insel im Norden können es sich Normalverd­iener bald nicht mehr leisten, dort zu wohnen.

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Gerne würden Familien vor allem mit Kindern im linksrhein­ischen Düsseldorf wohnen. Für viele ist das aber zu teuer.

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