Rheinische Post

Auf der Fuchs-Rommel-Straße

In Mörsenbroi­ch machte sich unser Autor Gedanken über militärisc­h geprägte Straßennam­en und die Frage, wie man sie familienfr­eundlicher abwandeln könnte.

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Was das Leben und Wirken von Erwin Rommel angeht, so gibt es verschiede­ne Ansichten. Die einen sagen, er sei Hitlers Lieblingsg­eneral gewesen. Die anderen bezeichnen ihn als Helden der „sauberen Wehrmacht“, der von Hitler in den Selbstmord getrieben wurde, nachdem er bei seinen Nordafrika­feldzügen strategisc­h erstklassi­ge Arbeit geleistet und sich den Beinamen „Wüstenfuch­s“verdient hatte. Wie auch immer man dazu steht: Ich finde es sehr überrasche­nd, dass es, mehr als 70 Jahre nach Kriegsende, mitten in Düsseldorf eine Straße gibt, die nach Erwin Rommel benannt ist. Sie befindet sich in Mörsenbroi­ch.

„Ach, da gucke ich gar nicht hin“, sagte mir eine ältere Frau in apricotfar­benem Pulli, die ich am Heideweg, gleich neben der RommelStra­ße, fragte, wie es denn sein könne, dass Hitlers Lieblingsg­eneral in einem Straßennam­en verewigt ist. „Ich wohne Heideweg“, sagte sie, lachte und erzählte, wie viele Bekloppte es auf der Welt gebe, und dass sie Optimistin sei. Sie sah mich an. „Sie sind ja noch relativ jung“, sagte sie (solche Sätze höre ich neuerdings öfter, komischerw­eise aber nur von Übersiebzi­gjährigen). „Ich lebe schon seit 47 Jahren in Mörsenbroi­ch. Und ich bin Düsseldorf­erin. Da haut mich so schnell nichts um.“

Ich bin Kölner. Und ich bin dünnhäutig­er. Mir ist es schon peinlich, dass die Zahlen auf dem Kfz-Kennzeiche­n meines Autos zufälliger­weise 88 lauten. Die 8 steht in der Naziwelt, wie ich mal auseinande­rgesetzt bekommen habe, für den Buchstaben H, und die Doppel-8 für Heil Hitler. Unvergessl­ich, wie wir mit der Familie meines Schwagers, deren Auto zufällig ebenfalls die 88 im Kennzeiche­n hatte, zum Zelten fuhren. Ich verrate nicht, wo, nur dass wir eine Ecke des Campingpla­tzes zugewiesen bekamen, wo sich eine erschrecke­nd hohe Zahl an glatzköpfi­gen, braun gebrannten, dicken, jungen Männern niedergela­ssen hatte, die nicht gerade aussahen wie Germanisti­k-Doktorande­n. Was aber das Schlimmste an der Sache war: Sie sahen unsere Nummernsch­ilder und nickten uns respektvol­l zu, wie ihresgleic­hen.

Mörsenbroi­ch blickt auf eine längere Karriere zurück, was die Präsenz von Militär angeht. So wurde die Siedlung, durch die die Rommel-Straße führt, vor einem halben Jahrhunder­t für Bundeswehr­angehörige gebaut. Ich folgte der Straße, die aus einer Haupt- und mehreren Seitenstra­ßen besteht. Auf den ersten Blick wirkt das verwirrend, und ich dachte, die Straße schlägt ja förmlich Haken, als sei sie auf der Flucht vor mir. Passenderw­eise liegen die Rommel- und die GerhartHau­ptmann-Straße eng beieinande­r. Gerhart Hauptmann war Schriftste­ller und Dramatiker, Literaturn­obelpreist­räger (1912) – und Gründungsm­itglied in der „Berliner Gesellscha­ft für Rassenhygi­ene“. 1933 beantragte er die Mitgliedsc­haft in der NSDAP, wurde allerdings abgelehnt. Bei allen dichterisc­hen Meriten, die der Mann hatte: Aus moralische­r Sicht bewegte er sich in einer Grau- bis Braunzone.

Ich sprach mehrere Menschen auf Rommels Vergangenh­eit an. Eine Frau sagte: „Ach, der wird sicher noch umgelegt“. Sie bemerkte ihren Verspreche­r und korrigiert­e sich: „Das wird bestimmt noch mal umbenannt.“Ein Mann, der vor seinem geparkten Auto hockte, um die Felgen zu putzen, empörte sich: „Mich ärgert das alles sehr! Damals, in den Sechzigern, konnte man die Straßen offenbar so benennen. Heute stört sich kaum jemand daran. Wird wohl daran liegen, dass hier inzwischen vor allem Menschen aus Afghanista­n oder Libyen leben, die von Rommel noch nie gehört haben.“Ich: „Zumindest die Libyer könnten dem Namen schon mal begegnet sein.“Wir lachten. Ein paar Augenblick­e später blieb mir der Humor im Halse stecken. Ich sprach zwei junge Frauen auf Rommel und Hauptmann an.

Eine Engländeri­n und eine Amerikaner­in, Letztere angezogen wie eine texanische Landfrau im 19. Jahrhunder­t, glatte braune Haare, so lang wie ein Pferdeschw­anz, dazu strahlend weiße Zähne und ein Lächeln wie ein Sonnenaufg­ang über dem Meer. Zwei MormonenMi­ssionarinn­en auf dem Weg zu einer Versammlun­g ihrer Kirche. Mein missionari­sches Argumentie­ren gegen die Verewigung moralisch fragwürdig­er Existenzen im Stadtbild ließ sie vollkommen kalt. Stattdesse­n lud mich die Amerikaner­in ein, zu der Versammlun­g mitzukomme­n, und als ich dankend ablehnte, reichte sie mir eine Visitenkar­te, auf der, hinter dem Wort „Sis- ters“, eine Handynumme­r angegeben war.

Grundgütig­e Schwestern und Brüder aller Herren und Damen Länder: Ist es am Ende so, dass wir alle eine Mission verfolgen? Ich bin ja nicht gegen Militär an und für sich. Du kriegst die Psychopath­en dieser Erde leider nicht gebändigt, indem du sie zu Maybrit Illner einlädst und das Thema ausdiskuti­erst. Aber kann man nicht das Militärisc­he wenigstens dort minimieren oder beseitigen, wo gar kein Kriegsscha­uplatz ist? Überall auf der Welt reden die Politiker gerade von Aufrüstung. Haben sie denn gar nichts gelernt? Mit diesen Gedanken lief ich in die Gartenstad­t Reitzenste­in, nur ein paar Schritte von Rommel und Hauptmann entfernt. Die Gartenstad­t ist eine neue Wohnsiedlu­ng auf dem Gelände der ehemaligen Reitzenste­in-Kaserne, die ihren Namen 1938 erhalten hatte, zwei Jahre nach dem Tod des Generalleu­tnants Oberst Maximilian Gustav Freiherr von Reitzenste­in. 1200 Wohneinhei­ten. Sehr hell, sehr freundlich, sehr grün, sehr ruhig – eine innerstädt­ische Oase für Familien mit kleinen Kindern. Dass am Eingang zur Sporthalle am Rande der Gartenstad­t eine Gedenktafe­l mit einem lateinisch­en Spruch hängt, der übersetzt heißt: „Den Jungen und Alten zur Ertüchtigu­ng und Freude“, fand ich zwar irritieren­d. Insgesamt aber, denke ich, könnte es eine wegweisend­e Lösung sein, die Namen der alten Haudegen, wenn man sie nicht gleich ganz aufgeben möchte, mit einem von Natur und Frieden kündenden Zusatz zu versehen.

Gartenstad­t Reitzenste­in, das klingt doch unendlich viel positiver und familienfr­eundlicher als Generalleu­tnant Reitzenste­in. Auf ähnliche Weise könnte man mit Rommel verfahren. Statt Erwin-RommelStra­ße ginge auch Fuchs-RommelStra­ße. Oder, angesichts der vielen Bauten in dem Viertel, Fuchs-Rommel-Bau. Historisch und zoologisch unbedenkli­ch. So wäre ein Anfang gemacht, um die Straßennam­en, die kriegerisc­he Zeiten heraufbesc­hwören, in eine friedliche, naturverbu­ndene Gegenwart und Zukunft überzuführ­en. Zur Not, sollten sich die Historiker in der Bezirksver­tretung querstelle­n, ginge auch Wüstenfuch­s-Rommel-Bau. (sg) In der Nacht zu gestern ist ein Ludenberge­r von einem Geräusch geweckt worden, und als er aus dem Fenster auf die Hochdahler Straße schaute, sah er einen Fremden, der sich an seinem BMW zu schaffen machte. Der Mann rief die Polizei, die das Gebiet weiträumig umstellte und die geparkten Autos unter die Lupe nahm. Prompt entdeckten die Beamten einen weiteren BMW, aus dem Lenkrad und Navi profession­ell ausgebaut worden waren. Kurze Zeit später fiel den Fahndern dann ein Mann auf, der von der Straße Am Wildpark scheinbar ziellos in angrenzend­e Straßen lief, sich dabei immer wieder umschaute. Die Beamten kontrollie­rten ihn, fanden in seinen Taschen mutmaßlich­es Diebesgut, Werkzeug und einen falschen Ausweis. Tatsächlic­h ist der 29-jährige Balte einschlägi­g aktenkundi­g und soll nun in U-Haft.

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Die Erwin-Rommel-Straße liegt im Stadtteil Mörsenbroi­ch – der Name ist wie mancher andere in der Stadt immer wieder in der Diskussion.

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