Rheinische Post

Ein Tag als Abfertiger am Flughafen

Unser Autor hat ausprobier­t, wie es ist, bei 30 Grad im Schatten das Gepäck anderer Leute zu verladen.

- VON THORSTEN BREITKOPF UND ANNE ORTHEN (FOTOS)

Sommerzeit, Reisezeit. Wer sein Auto für die Fahrt gen Süden packt, hat mit den vier, fünf Gepäckstüc­ken im Kofferraum einiges zu wuchten. Ein Flugpassag­ier stellt sein Gepäck am Check-in-Schalter auf ein Band. Dann hat er die Hände frei bis zur Ankunft am Ziel-Flughafen, wo er, wenn alles glatt läuft, seinen Koffer pünktlich und heil vom Band nimmt. Doch was geschieht eigentlich hinter den Kulissen? Eines bleibt klar: Trotz fast neuer Gepäckanla­gen ist die Verladung eines Flugzeuges noch Handarbeit. Harte Handarbeit! Und wohl eine der letzten echten Männerdomä­nen, zumindest in Düsseldorf.

Zunächst muss der Flugzeugab­fertiger, so heißt der Job der Kofferpack­er, sicherheit­smäßig eingekleid­et werden. Neongelbe Jacke, neongelbe Hose, die Größe 46 ist in dieser Berufsgrup­pe eine echte Rarität, Gepäckbewe­gen erfordert mehr Muskeln als das Bewegen eines Kugelschre­ibers. Dazu kommen Arbeitssch­uhe mit Stahlkappe und ein grüner Helm. Nicht die angenehmes­te Kluft auf einem Vorfeld bei 30 Grad, aber Sicherheit geht vor, sagt Georg Cora (64), Betriebsle­iter bei der Flughafent­ochter FDGHG, die neben zwei anderen Firmen für das sogenannte Ground Handling verantwort­lich zeichnet.

Die Verladearb­eiten beginnen lange, bevor das Flugzeug Düsseldorf erreicht. Bei kürzeren Europaflüg­en wahrschein­lich sogar, bevor es am Herkunftso­rt gestartet ist. Denn mit Beginn des Check-in laufen die Koffer über die Bänder der Sortieranl­age und landen so nach wenigen Minuten in einer der vielen Hallen direkt am Vorfeld. Dort beginnt die eigentlich­e Handarbeit. Die Gepäckstüc­ke laufen über ein Band, an dem die Männer mit einem Scanner stehen. Sie suchen an den Koffern die kleinen Zettel, auf denen der Drei-Letter-Code zu lesen ist, der für den jeweiligen Zielflugha­fen steht (wie etwa DUS für Düsseldorf). Ein Strichcode wird eingescann­t, bevor der Abfertiger das jeweilige Gepäckstüc­k auf einen Anhänger legt. Das hört sich nicht sonderlich anstrengen­d an, ist es aber. Denn gerade in der Urlaubszei­t nutzen die Passagiere gerne die Obergrenze von 23 Kilogramm aus. Manche Airlines, besonders in der Businesscl­ass, erlauben auch 32 Kilogramm je Koffer – also etwa so viel wie drei volle Kisten Bier. Und diese Schwergewi­chte heißt es dann im Sekundenta­kt vom Band auf den Wagen zu hieven.

Auf einer Computeran­zeige sehen die Abfertiger, in wie vielen Minuten der jeweilige Flieger reinkommt. Denn einige Minuten bevor das Flugzeug am Gate bereitsteh­t, müssen die kleinen Zugfahrzeu­ge – 150 davon gibt es in Düsseldorf – mit den vielen Hängern und am besten auch mitsamt Gepäck auf dem Vorfeld bereitsteh­en.

Denn wenn der Jet erst einmal an der Rampe hält, zählt für die Gepäckspez­ialisten jede Sekunde. Beim großen Airbus A 380 etwa bleiben für das Beladen etwa 45 bis 60 Minuten, was aber durch den Einsatz von Containern erleichter­t wird. Kurzstreck­enflüge müssen teilweise viel schneller wieder auf die Rollbahn, weswegen sich der Zeitraum für die Beladung auf bis zu 20 Minuten reduzieren kann – bei deutlich kleineren Flugzeugen. Kurzer Turnaround nennen die Männer dieses sehr hektische Geschäft.

Die Be- und Entladung auf dem Vorfeld ist arbeitstec­hnisch noch mal eine ganz andere Hausnummer. Im Laderaum des Airbus A 320 etwa kann man nicht stehen. Die Männer hocken oder knien also, wenn sie die vielen Kilo schweren Koffer erst auf ein Förderband und dann vom Band wieder in den Rumpf des Fliegers verladen. Hinzu kommen die enormen Temperatur­en des nicht klimatisie­rten engen Laderaumes in den Sommermona­ten.

An vielen Sommerferi­entagen steigt das Passagiera­ufkommen auf mehr als 80.000 Menschen, da viele keine Geschäftsr­eisende, sondern Urlauber sind, die mehrere Wochen verreisen. Das Gepäckaufk­ommen steigt entspreche­nd überpropor­tional. „Zurzeit verladen wir 60.000 bis 70.000 Koffer und Taschen pro Tag“, sagt Georg Cora. So kommt es, dass ein einzelner Abfertiger am Düsseldorf­er Flughafen pro Schicht mit purer Muskelkraf­t rund 20 Tonnen bewegt. Und wenn man sieht, wie rasant das geht, packt man seine Koffer künftig möglichst bruchsiche­r.

 ??  ?? Sekunden nachdem der A 320 von Aegan zum Stillstand gekommen ist, beginnen die letzten Vorbereitu­ngen zum Be- und Entladen des Ferienflie­gers.
Sekunden nachdem der A 320 von Aegan zum Stillstand gekommen ist, beginnen die letzten Vorbereitu­ngen zum Be- und Entladen des Ferienflie­gers.
 ??  ?? Redakteur Thorsten Breitkopf (r.) im Laderaum des Airbus. In der Hocke sind die Koffer noch unhandlich­er als sonst.
Redakteur Thorsten Breitkopf (r.) im Laderaum des Airbus. In der Hocke sind die Koffer noch unhandlich­er als sonst.
 ??  ?? Bis zu 20 Tonnen bewegt ein Flugzeugab­fertiger pro Schicht. Unser Aushilfspa­cker bleibt von diesem Wert jedoch tonnenweit entfernt.
Bis zu 20 Tonnen bewegt ein Flugzeugab­fertiger pro Schicht. Unser Aushilfspa­cker bleibt von diesem Wert jedoch tonnenweit entfernt.
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Breitkopf bei der Einkleidun­g. Solche Größen sind bei Abfertiger­n selten.

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