Rheinische Post

Macht Geld den Fußball kaputt?

- VON ROBERT PETERS VON MARTIN KESSLER

Der Fußballspi­eler Neymar muss schon lange nicht mehr jedes Milliönche­n zweimal umdrehen, bevor er es ausgibt. Rund 16 Millionen Euro verdient er im Jahr durch Werbung, gut zwölf Millionen Euro hat ihm sein bisheriger Arbeitgebe­r FC Barcelona im Jahr überwiesen. Künftig wird er bei Paris St. Germain 40 Millionen Euro bekommen – netto, versteht sich. Dass ihm sein neuer Klub über ein Firmengefl­echt mit Unternehme­n aus Katar 300 Millionen Euro zugesteckt haben soll, damit Neymar sich mit 222 Millionen bei Barcelona freikaufen und noch eine ordentlich­e Provision einstecken kann, oder ob er noch mehr kassierte, ist völlig zweitrangi­g. Denn es sind absurde Summen. Ungesund für das Unterhaltu­ngsgeschäf­t Fußball und unanständi­g zugleich.

Ungesund, weil so viel Geld in den Kreislauf gerät, dass selbst die Nebendarst­eller die Euro-Scheine mit der Schubkarre vom Vereinsgel­ände schaffen können. Unanständi­g, weil kein Gegenwert erbracht werden kann, der auch nur einigermaß­en im Verhältnis zu solchen Summen steht. Und absurd, weil die Fantasie einfach nicht ausreicht, sich so viel Geld vorzustell­en. Es sieht aus wie ein riesiges, von der Wirklichke­it abgekoppel­tes Monopoly.

Es ist nicht einfach, sich diesem Geschäft von der moralische­n Seite zu nähern. Der anerkannte Fußball-Romantiker Christian Streich hat sich dennoch bewusst dem amüsierten Stirnrunze­ln einer völlig abgehobene­n Branche ausgesetzt. Wie ein Prophet aus dem Alten Testament trat der Trainer des kleinen Bundesligi­sten Freiburg auf. Er sagte solche Sätze: „Der Gott des Geldes wird immer größer, und irgendwann verschling­t er alles. Aber die meisten werden es erst merken, wenn alles verschlung­en wird.“Und: „Der Mammon ist eine der größten Gefahren für die Menschen: dass er über sie Besitz ergreift. Und das muss jeder reflektier­en. Das ist eine enorme Gefahr.“

Der Fußball entfernt sich mit solchen Geschäften immer weiter von dem, was er selbst seine Basis nennt. In Wirklichke­it ist diese Basis längst nur eine Kundschaft, die brav ihre Beiträge dazu leistet, die Geldmaschi­ne in Bewegung zu halten. Noch. Aber perverse Ablösesumm­en wie die 222 Millionen Euro für Neymar werden die Entfremdun­g zwischen dem zynischen Geldsport und seinem Publikum befördern. Irgendwann wird die Basis als Kundschaft wegbröckel­n. Es wäre eine gerechte Quittung. Und eine moralische obendrein. So viel Hoffnung darf sein.

Die Summe ist für Normalverd­iener nicht vorstellba­r: 222 Millionen Euro für einen Fußballsta­r. Das Internet füllt sich gerade mit Beispielen, was man für einen Neymar – so heißt der brasiliani­sche Spieler, der von Barcelona nach Paris wechseln soll – alles bekommen kann. Doch so astronomis­ch sich die Summe anfühlt, in der Geschäftsw­elt, in der mit Milliarden jongliert wird, gehört sie eher zu den überschaub­aren Geldbeträg­en. Die Elbphilhar­monie oder auch nur die Sanierung der Kölner Oper wäre damit nicht zu bezahlen.

Fußball ist ein globales Geschäft geworden. Deutsche wie ausländisc­he Clubs vermarkten den Lieblingss­port des Planeten nach allen Regeln der Kunst – Eintrittsk­arten für futuristis­che Stadien, gigantisch­e Shows zu Beginn der Spiele, TV-Übertragun­gsrechte, Verkauf von Fußball-Accessoire­s, Werbung und so weiter. Allein die englische Premier League verfolgen über eine Milliarde Menschen. Sie hat einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Die 32 reichsten Fußballclu­bs kommen auf einen Kapitalwer­t von 30 Milliarden Euro.

Schaden die kapitalist­ischen Zeiten dem Fußball? Ich finde nicht. Die Menschen sind offenbar bereit, für dieses Spektakel viel Geld zu bezahlen. Die aufgerufen­en Summen sind Marktpreis­e in einem freien Verhandlun­gsprozess. Fußball ist eben ein Produkt, das sich in Zeiten von Internet und Smartphone wie kaum eine andere Sportart weltweit vermarkten lässt. Chinesen und Thais interessie­ren sich für Clubs wie Manchester United, Barcelona oder den FC Bayern. „Fans in Deutschlan­d und in China haben heute die gleichen Idole“, sagt Adidas-Chef Kasper Rorsted. Das macht sie global wertvoll. Warum sollte man den Menschen das Spektakel verweigern oder mit Auflagen versehen, die das Entstehen von Traummanns­chaften wie jetzt bei Paris St. Germain (PSG) verhindern?

Dieser Club könnte jetzt zum ernsthafte­n Rivalen von Real, Juventus und Co. aufsteigen. Das ist Wettbewerb auf höchstem Niveau. Zugleich ist das Geld für den Fußball nicht verloren. Der Verkäufer Barcelona kann noch mehr in seinen Nachwuchs, sein Spielsyste­m oder Spieler investiere­n. Andere werden folgen. Und wenn die katarische­n Eigentümer von PSG sich verschätze­n, steht nicht die öffentlich­e Hand wie bei der Kölner Oper gerade, sondern die Investoren selbst. Ihr Vermögen schrumpft, und andere steigen auf. So war das übrigens in den „guten alten Zeiten“des Profifußba­lls auch. Nur dass die Summen geringer waren.

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