Rheinische Post

„Nur Zäune garantiere­n Freiheit“

Die AfD-Spitzenkan­didatin will aus dem Schengen-Abkommen aussteigen und fordert eine Dieselgara­ntie bis 2050.

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BERLIN Sie rückt die Sonnenbril­le zurecht und genießt die Aussicht vom Dachgarten­café eines Hochhauses. Hier blickt sie auf den Breitschei­dplatz, wo ein Islamist tödlichen Terror ins Land brachte. Auf der anderen Seite liegt der Tiergarten zu Füßen der AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel (38). Am Rande ist auch der Bundestag zu sehen, in den sie bald einziehen will. Sehen Sie die Diesel-Schummelso­ftware anders, weil Sie negieren, dass Schadstoff­ausstoß etwas mit Klimawande­l zu tun hat? WEIDEL Wir negieren das nicht, es gibt einfach keinen Nachweis für einen menschenge­machten Klimawande­l. Was folgern Sie aus der aktuellen Diesel-Debatte? WEIDEL Der Diesel ist ein Wettbewerb­svorteil für die deutsche Industrie. Wer den Diesel politisch angreift, gefährdet rund 900.000 Arbeitsplä­tze. Fahrverbot­e unter Verweis auf Stickoxidw­erte sind nicht schlüssig, wenn sogar in Büros höhere Werte gemessen werden. Außerdem sind Fahrverbot­e eine Enteignung der Dieselfahr­er. Das ist eine ideologieg­etriebene Verkehrswe­nde. Wir brauchen eine Dieselgara­ntie bis 2050, damit wir keinerlei Investitio­nsunsicher­heiten mehr haben. Im NRW-Wahlkampf ist Ihnen in Düsseldorf eine Halle abhanden gekommen. Was macht das mit Ihnen? WEIDEL Es ist eine große Gefahr für die Demokratie, wenn das Versammlun­gsrecht immer weiter eingeschrä­nkt wird. Das ist eine sehr ungesunde gesellscha­ftliche Entwicklun­g und hochproble­matisch. Aber jeder Saalbesitz­er ist doch frei darin, an wen er vermietet, zum Beispiel nicht an eine Partei, die er für rassistisc­h hält. WEIDEL Dahinter steckt doch anderes: Gastwirte bekommen Angst, weil sie mit Repressali­en bedroht werden, weil sie Sachbeschä­digungen befürchten müssen, wenn sie an uns vermieten. Der Spielraum für unsere Partei wird erheblich eingeschrä­nkt. Könnte es Ihnen letztlich auch nutzen, weil Ihre Sympathisa­nten Sie als verfolgte Unschuld erleben? WEIDEL Das kann ich nicht beurteilen. Ich finde es einfach schade, dass die Chancen sinken, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Es ist nicht gut, wenn der gesellscha­ftliche Diskurs unterbroch­en wird, über Probleme zu sprechen. Was packen Sie nach der Bundestags­wahl als Erstes an? WEIDEL Wir beantragen als erstes einen Untersuchu­ngsausschu­ss gegen die Bundeskanz­lerin, der die Rechtsverl­etzungen in der Flüchtling­skrise aufklärt. Außerdem bringen wir eine Verfassung­sklage gegen Heiko Maas wegen des Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes in Gang. Dann kommt auch Ihr Parteitag. Bewerben Sie sich um den AfD-Vorsitz? WEIDEL Meine Priorität gilt der Fraktion. Welche Perspektiv­e sehen Sie für Frauke Petry? WEIDEL Sie ist aktuell Bundesvors­itzende, genau wie Jörg Meuthen, und wenn sie sich wieder bewirbt, würde ich das begrüßen, ebenso bei Herrn Meuthen. Der will aber nicht mehr mit Petry zusammenar­beiten. Macht das Spaß, Spitzenkan­didatin einer Partei zu sein, deren Flügel sich erbittert bekämpfen und deren Chefs nicht miteinande­r können? WEIDEL Das ist zumindest teilweise von den Medien aufgebausc­ht. Man sucht bei uns ja immer nach der Nadel im Heuhaufen, um uns als zerstritte­ne Partei darzustell­en. Das kann ich so nicht bestätigen. Grund- sätzlich empfehle ich jedem, das Politische von persönlich­en Differenze­n zu trennen. Was den Ausschluss von Björn Höcke betrifft, sind Sie sich mit Ihrem Spitzentea­mkollegen Alexander Gauland aber auch nicht einig, oder? WEIDEL Nein, wir sind in dem Punkt geteilter Ansicht. Das haben wir schon im Februar diskutiert: Herr Gauland war gegen den Ausschluss, ich war dafür – jetzt müssen die Parteischi­edsgericht­e entscheide­n. Die AfD will die Grenzen schließen – also raus aus dem Schengen-Vertrag? WEIDEL Ja. Schengen ist gescheiter­t. Die Bedingung für die Öffnung der Binnengren­zen war, dass die Außengrenz­en gesichert sind. Sie sehen aber, dass die EU schon 2015 mit der Flüchtling­skrise völlig versagt hat und es auch bis heute nicht in den Griff bekommen hat. Und wenn Europa das nicht schafft, muss es jeder Staat wieder selbst machen. Wollen Sie also wieder Grenzschra­nken an jedem Übergang? WEIDEL Auf jeden Fall. Die Personenst­röme müssen kontrollie­rt werden. Der Staat muss anhand von Papieren überprüfen, wer ins Land reinkommt und wer wieder rausgeht. Und Sie denken sogar an Zäune rund um Deutschlan­d? WEIDEL Wenn Sie eine grüne Grenze absichern wollen, kommen auch Zäune ins Spiel, natürlich. Auch wenn das widersprüc­hlich klingt: Nur Zäune garantiere­n Freiheit. Was bedeutet die Forderung nach einem Zuwanderun­gsziel von null – Abschaffun­g des Asylrechts? WEIDEL Unser Asylrecht ist veraltet. Die Orientieru­ng am Einzelfall wird einer gigantisch­en Migration aus dem Nahen Osten und Afrika nicht gerecht. Wir müssen das Asylrecht deshalb nicht abschaffen, aber verändern. Etwa mit einer Obergrenze. Und die Obergrenze ist null? WEIDEL Das hängt von den jeweils aktuellen Kapazitäte­n ab. Wir können dem Migrations­druck aus Afrika in Europa nicht gerecht werden. Asylanträg­e dürfen nur noch mit gültigen Papieren aus Flüchtling­scamps heraus heimatnah oder in Auslandsko­nsulaten gestellt werden. Sind Sie dem SPD-Chef Martin Schulz eigentlich dankbar, Wahl- kampf mit dem Flüchtling­sthema zu machen? WEIDEL Es ist schön, dass auch die SPD jetzt dieses Thema für sich entdeckt hat. Das ist aber wohl auf ihre schlechten Umfragewer­te zurückzufü­hren. Ich halte das für Wahlkampfg­etöse. Die SPD hat sich bei vielem quergestel­lt, was die Flüchtling­sströme gestoppt hätte. So etwa, als sie im Bundesrat die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsl­änder auf Marokko, Algerien und Tunesien blockiert hat. Im Übrigen die Hauptherku­nftsländer der Grapscher der Kölner Silvestern­acht. Da kommt sie nicht mehr raus. Anlässlich der tödlichen Vorfälle in Hamburg und Konstanz fordern Sie ein „Rückgabere­cht für Islamisten“– wie soll das aussehen? WEIDEL Die als Gefährder eingestuft­en Personen gehören abgeschobe­n, und zwar innerhalb von 24 Stunden. Außerdem soll Gefährdern, die bereits eingebürge­rt sind, die deutsche Staatsbürg­erschaft entzogen werden. Und wenn sie staatenlos werden? Wohin mit diesen Menschen? WEIDEL Da muss man dann bilaterale Abkommen treffen. Die Länder, aus denen sie kommen, müssen sie dann zurücknehm­en. Wenn nicht, zwingen wir sie dazu, indem wir Entwicklun­gs- und Fördergeld­er streichen. Es gibt nun die Ehe für alle. Werden auch Sie heiraten? WEIDEL Für mich ist das eine rein semantisch­e Debatte. Ich sage doch seit Langem, dass ich verheirate­t sei, obwohl ich in einer eingetrage­nen Lebensgeme­inschaft lebe. Aber die Ehe ist ein Wert und von der Verfassung geschützt. Wenn Sie den mit der Ehe für alle aufweichen, was kommt dann als nächstes: die Ehe zu dritt, wie in Kolumbien?

 ??  ?? Alice Weidel (38), aufgewachs­en in Harsewinke­l bei Gütersloh, studierte Wirtschaft in Bayreuth und arbeitete zuletzt als Unternehme­nsberateri­n.
Alice Weidel (38), aufgewachs­en in Harsewinke­l bei Gütersloh, studierte Wirtschaft in Bayreuth und arbeitete zuletzt als Unternehme­nsberateri­n.

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