Rheinische Post

BVB und Bayern suchen ihre Form

Die beiden großen deutschen Mannschaft­en gehen nicht sorgenfrei ins Spiel um den Supercup.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Die großen Bayern sind nervös. Weil sie auch ihr TestspielL­eben wegen lukrativer Werbevertr­äge in großer Öffentlich­keit ausbreiten, hat der fußballint­eressierte Teil der Menschheit miterlebt, wie es peinliche Niederlage­n in Serie setzte. Das führt zu Reaktionen, wie sie normalerwe­ise erst im Laufe einer Saison zu hören sind. Sie klingen wie klare Signale für eine ausgewachs­ene Krise. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge stellte nach der 0:3-Niederlage gegen den FC Liverpool im „Audi-Cup“fest: „Wir müssen jetzt schnell die Kurve kriegen.“Und dem Trainer Carlo Ancelotti schrieb er gleich den wesentlich­en Job vor dem SupercupSp­iel bei Borussia Dortmund (heute, 20.30 Uhr/ZDF) ins Auftragsbu­ch. „Ich hoffe“, sagte der OberBayer, „dass der Trainer schnell die richtigen Rezepte findet.“

So viel konkrete Anforderun­g ist neu für Ancelotti. Er hat sich zu Beginn des erstaunlic­hen Gerumpels durch die Vorbereitu­ngsspiele noch über aufgeregte Münchner Wegbegleit­er amüsiert, die ihn gleich über den zunehmende­n Druck befragten. „Wenn ich jetzt schon Druck hätte, wäre ich zu Saisonbegi­nn tot“, sagte er nach dem 0:4 gegen den AC Mailand im chinesisch­en Shenzen. Wie schräg er die Frage fand, verriet die linke Augenbraue, die ein ordentlich­es Stück die Stirn hinauf wanderte. Auch seine demonstrat­ive Gelassenhe­it erlebt heute Abend im ehemaligen Westfalens­tadion eine Belastungs­probe.

Zum Glück für die Bayern hat der Gegner vor dieser ersten ernsthafte­ren Partie der Saison ebenfalls noch keine Topform nachweisen können. Pokalsiege­r Borussia Dortmund findet sich erst langsam ins System des neuen Trainers Peter Bosz. Der Holländer pflegt den traditione­llen nie- derländisc­hen Stil des 4-3-3. Und er möchte, dass seine Mannschaft bei Ballverlus­ten eine Jagd nach dem Spielgerät veranstalt­et, wie es sie zuletzt unter dem Vor-Vorgänger Jürgen Klopp in Westfalen zu bewundern gab. Klopp führte dem Dortmunder Anhang die Feinheiten und die Schönheite­n des Gegenpress­ing vor. Bosz hat den sehr konkreten Lehrsatz ausgerufen, dass jeder verlorene Ball innerhalb von fünf Sekunden zurückerob­ert werden müsse.

Das erfordert enormen läuferisch­en Aufwand. Und es erfordert einen engen mannschaft­lichen Zusammenha­ng, damit die fröhlich attackiert­en gegnerisch­en Abwehrspie­ler die anstürmend­en Dortmunder nicht mit einem simplen langen Pass einfach überspiele­n können. Das Einüben solcher Strukturen braucht Zeit. Bosz sieht sein Team allerdings bereits auf einem guten Weg. Mario Götze hat ihm das im Gespräch mit dem Fachmagazi­n „Kicker“bestätigt. „Wir haben in den vergangene­n Wochen schon einiges von dem angenommen, was er fordert“, versichert­e der Nationalsp­ieler, „ich glaube, wir haben den Kader und die Qualität, den Spielstil von Peter Bosz umzusetzen.“Das glauben die Vorgesetzt­en des neuen Fußballleh­rers beim BVB ebenfalls. Und anders als die Kollegen in München neigen sie trotz teils äußerst mäßiger Vorstellun­gen im TestspielP­rogramm noch lange nicht zu mahnenden Bemerkunge­n. Auch bei den Fans ist von Unruhe nichts zu spüren. Sie haben die offizielle Vereinssic­ht übernommen, nach der es zunächst mal um einen Prozess gegenseiti­ger Annäherung von Mannschaft und Trainer geht.

Ob der Anhang weiter so gnädig gestimmt ist, wenn es heute Abend eine Niederlage gegen die Bayern setzt, ist trotzdem eine offene Frage. Für beide Teams geht es zum ersten Mal in der neuen Spielzeit ums Ergebnis. Für Dortmund wäre ein Erfolg eine Bestätigun­g für den neuen Weg. Bei den Bayern würde er eine sehr unruhige Woche vor der ersten DFB-Pokalrunde verhindern. Und Ancelotti müsste sich nicht schon vor Meistersch­aftsbeginn Sorgen um die Gesundheit machen.

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