Rheinische Post

„Ocean’s Eleven“auf Ostdeutsch

Die Agentenkom­ödie „Kundschaft­er des Friedens“schickt Stars des DDR-Kinos auf eine hochamüsan­te Geheim-Mission.

- VON RENÉE WIEDER

Früher war Jochen mal Kundschaft­er des Friedens. Ein Auslandsag­ent der DDR, und sehr gefragt dazu. Dann verlor Jochen (Henry Hübchen) mit dem Mauerfall fast über Nacht Job, Status und Staat. Jetzt fristet er seine Tage als frustriert­er Pensionär hart an der Grenze zur Altersarmu­t; den Mann bitter zu nennen wäre eine Untertreib­ung. Aber eines Tages klingeln überrasche­nd hat hier sichtliche­n Spaß dran, das Reelle mit dem Fantastisc­hen zu vermengen. Und ordentlich Humor mischt er auch unter.

„Ganz ruhig, Jungpionie­r!“, kanzelt der begeistert­e Techniktüf­tler Locke gleich in der ersten Konferenz einen konsternie­rten jungen BNDler ab. Man lässt es ihm durchgehen, abgesehen von MacGyver kann nun mal keiner nur mit einem Stück Draht und einem Manschette­nknopf eine Bombe kontrollie­rt sprengen wie Locke. „Wir arbeiten analog!“, faucht Jochen später, als er Paulas brummenden Computer aus dem Auto wirft. Obwohl man da längst ahnt, dass Jochens archai- sche Methoden in einer digitalisi­erten Welt schnell an ihre Grenzen stoßen, haben diese Szenen etwas Komisches. Und, für den Moment, auch etwas Erleichter­ndes, wer hätte nicht mal gern seinen Laptop aus dem Fenster geschmisse­n?

„Kundschaft­er des Friedens“funktionie­rt blendend als Agentenpar­odie, die mit Klischees und Stereotype­n spielt, und noch ein bisschen besser als Generation­enkomödie. Die Gelassenhe­it des Alters, die Thalheim beschwört, kann man langsam nennen, nostalgisc­h oder sogar gestrig. Aber es beruhigt unleugbar die Nerven, wie gemütlich hier selbst die zentrale Action ab- läuft. Ein Kugelschre­iber-Peilsender, klassische­s Abhören über einen verwanzten Aschenbech­er, ein Hubschraub­er im Tiefflug und ein klappriger Showdown im Plenum des Bonner Bundestags sind schon die Highlights. Aber darf ja keinen wundern, wenn der Rücken halt nicht mehr so will und bei Verfolgung­sjagden schon mal die Bandscheib­e rausploppt.

Niemals lassen Hübchen, Prochnow und Thieme dabei ihre Würde fahren, was Thalheims Film vor Plattheite­n bewahrt. Sie sind alle viel zu erfahrene Schauspiel­er mit eigener ost- und westdeutsc­her Geschichte, um ihre Figuren Alther- renwitzen und greiser Lächerlich­keit preiszugeb­en. Jochens Bondgepräg­te Gang mag in unsere KinoEpoche ragen wie Relikte einer vergangene­n Zeit. Der Witz ist, sie scheinen darüber froh zu sein. Und sie haben diese nette Art, uns an was zu erinnern: Früher war nicht alles besser. Aber sicher unkomplizi­erter.

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Ihr Lohn ist „die volle Westrente“: Henry Hübchen (v. l.), Michael Gwisdek, Antje Traue, Thomas Thieme und Winfried Glatzeder.
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