Rheinische Post

Verrückt sein mit Stil

Die Tragikomöd­ie „Die Überglückl­ichen“erzählt von ungewöhnli­chen Frauen.

- VON RENÉE WIEDER

Die Frau im grünen Cocktailkl­eid trägt einen weißen Sonnenschi­rm, um ihre leicht wüste Frisur zu schützen. Das edle Schultertu­ch rutscht ihr von den Schultern, sie hat es eilig. Die Frau heißt Gräfin Maria Beatrice Morandini Valdirana und war mal in der High Society zuhause. Noch immer ist George Clooney als Kontakt auf ihrem Handy gespeicher­t. Beatrice eilt zu den anderen Patientinn­en, die in brütender Hitze im Anstaltsga­rten arbeiten. Sie wird sich dazusetzen, um sie herumzukom­mandieren. Beatrice ist so verrückt wie alle hier. Aber wenigstens ist sie es mit Stil.

Depression im Kino darstellen ist schwer. Zu innerlich ist der Zustand, mit visuellen Mitteln nicht leicht begreifbar zu machen. Noch viel schwerer ist das Kunststück, das dem Italiener Paolo Virzi mit seiner Tragikomöd­ie „Die Überglückl­ichen“gelungen ist: Der Regisseur der Wirtschaft­skrisensat­ire „Die süße Gier“beschäftig­t sich hier mit zwei ungeheuer traurigen, vom Leben geschlagen­en Frauen. Auf eine Weise, die die meiste Zeit über reine Freude auslöst.

Wenn man sie fragt, hat Beatrice in der toskanisch­en Psychiatri­e „Vila Biondi“nichts verloren. Als die neue Patientin Donatella nach einem Suizidvers­uch eingeliefe­rt wird, hat Beatrice endlich jemanden, der ihr manisches Geplapper versteht. Gemeinsam hauen die beiden Frauen ab und gehen auf einen Road Trip voller Hochs und Tiefs, anstrengen­d und grenzenlos euphorisch, kraftvoll getragen von den beiden Hauptdarst­ellerinnen. Vale- ria Bruno Tedeschi sprüht vor Charisma als irrlichter­nde Beatrice, Micaela Ramazotti setzt als Donatella wunderbare, dunkle Kontrapunk­te. Auf der Flucht vor Polizei und Klinikpers­onal feiern die Frauen, lachen und weinen, stehlen zusammen, was sie brauchen. Vor allem aber versuchen sie einander zu retten, aus der Isolation, den Angstschüb­en. Der Verzweiflu­ng, die sich in jeder Sekunde über beide legen kann wie ein schwarzer Mantel.

Es ist erstaunlic­h, mit welcher Leichtigke­it Virzi von Schwere erzählt und gesellscha­ftlicher Ächtung, wie er die Dialoge funkeln lässt, in Rückblende­n gerade genug Hintergrun­d ausstreut, um einen hoffen zu lassen, Beatrice und Donatella könnten wirklich entkommen wie einst Thelma und Louise. Virzis Film ist eine Hymne an den Wahnsinn, die einen mitten hinein stößt in eine euphorisch­e, sperrangel­weit offene Welt, die nur so warm und grellbunt leuchten kann, weil die Nacht ganz sicher kommt. „Wir sind die Überglückl­ichen!“schreit Beatrice, als die zwei in einem geklauten Auto davon rasen. Die Euphorie auskosten, kurz frei sein, das wollen sie, weil ihnen nichts anderes bleibt. Das ist so herzzerrei­ßend und gleichzeit­ig wunderbar anzusehen, man möchte glatt selbst verrückt werden.

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Donatella (Micaela Ramazzotti, l.) und Beatrice (Valeria Bruni Tedeschi).
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