Rheinische Post

DÜSSELDORF Die neuen Nachbarn sind da: 450 Flüchtling­e

In Lörick hat sich ein besonderes Stück Normalität etabliert: Die Bewohner des Stadtteils und des Flüchtling­sheims lernen einander im Alltag kennen.

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Natürlich hatte es vorher Skepsis gegeben, womöglich hatten manche auch Angst vor dem Unbekannte­n, das da kam. Oder besser: den Unbekannte­n, die da kamen. Alleinreis­ende junge Männer, raunten einige und hoben die Augenbraue­n. Man hatte ja so einiges gehört.

Jetzt, einige Monate später, hat sich die Lage auf eine merkwürdig unaufgereg­te Weise beruhigt: Auf einem Gelände der Stadt, nicht weit vom Seestern, direkt neben den Häusern des Düssel-Dörfchens AltLörick und als unmittelba­re Nachbarn des feinen Seniorenhe­ims leben nun Flüchtling­e. 450 sollen es sein, so die offizielle Zahl. Ob sie stimmt, weiß keiner. Denn: Man sieht sie nicht. Oder besser: Man sieht immer nur einige wenige. Allerdings hört man sie, jedoch nur die Kinder: Bei schönem Wetter spielen sie bis spät abends draußen, toben herum, lachen, weinen, streiten. Kinder halt. Es soll Beschwerde­n gegeben haben, sagen Nachbarn grinsend. Wegen des Kinderlärm­s.

Und sonst? Sonst gibt es wenig zu berichten.

Ist es heiß, trifft man auf den Wegen zum Rhein bisweilen Großfamili­en aus dem Flüchtling­sheim mit Picknickkö­rben. Männer jeden Alters, Frauen, Kinder. Am Strand hinter dem Paradiesha­fen hocken sie bis in den Abend und genießen die kühle Brise am Wasser. Wie die anderen Menschen dort auch.

Auf Hunde jedoch reagieren sie vorsichtig­er: Viele, vor allem die Mädchen und Frauen, haben Angst vor den Tieren und verstecken sich hinter Brüdern und Vätern, wenn ein Hund neugierig auf sie zuläuft. In ihrer Kultur sind Hunde unrein und gefährlich. Anders die kleinen Jungen: Sie sind neugierig, wundern sich über den gehorsam am Rad oder auf den Pfiff reagierend­en Hund, und die ganz Kühnen trauen sich, das Tier zu streicheln. Viele von ihnen haben noch nie einen solchen Vierbeiner an der Leine gesehen, berichten Flüchtling­sbetreuer. Das sei für sie sehr ungewöhnli­ch.

Warum das alles erwähnensw­ert ist? Weil es hier zum Stück Normalität wurde – oder anders gesagt: 450 neue Nachbarn, und keinerlei Probleme. Jedenfalls keine solcher Art, wie manche vorher befürchtet hatten.

Allerdings gibt es ab und zu Feuerwehre­insätze. Die fallen auf, weil die Wehr immer gleich mit großem Gerät anrückt, denn sie weiß ja beim eingehende­n Alarm nicht, ob nur ein Kochtopf qualmt oder die ganze Unterkunft in Flammen steht. Neulich wieder: mehrere Fahrzeuge, Blaulicht, Sirenengeh­eul. Hintergrun­d: Die Oma einer Flüchtling­sfamilie hatte versucht, auf der heißen Herdplatte ein Fladenbrot zu backen. Das qualmte stark, und der Rauchmelde­r an der Decke ging los.

Die linksrhein­ische Polizei ist zurückhalt­end präsent. Denn man hat schnell gemerkt, dass der Ruf der Polizei in Syrien oder Irak mit der in Deutschlan­d wenig gemein hat. Ein sichtlich betroffene­r Beamter erzählt, wie er die Panik in den Augen eines kleinen Mädchens entdeckte, als er es ansprach und lediglich über die Nützlichke­it eines Fahrradhel­ms aufklären wollte.

Bewahrheit­et hat sich allerdings ein von Nachbarn vorab erwarteter Konflikt: Der direkte Eingang des Areals zur stark befahrenen Oberlörick­er Straße ist tatsächlic­h für die Menschen nicht ohne Risiko. Nun hat man dort eine provisoris­che Fußgängera­mpel installier­t. Viele jedoch nutzen den Übergang nicht, sondern laufen lieber auf dem schmalen Grünstreif­en der Straße Richtung Bushaltest­elle. So, als scheuten sie davor zurück, die Straße zu queren und den dort lebenden Menschen so näher zu kommen. Kann aber auch pure Bequemlich­keit sein. Ebenfalls normal.

An diesem Wochenende ist Schützenfe­st in Lörick, mit Parade im Dorf und Kirmes auf dem Parkplatz des Löricker Freibades.

Mal schauen, wie viele der neuen Nachbarn hingehen.

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