Rheinische Post

Mein Rheinland: Sonderheft Wandern

- VON RAINER HEUBECK

(aka) Sie lieben die Natur und interessie­ren sich für Geschichte und Geschichtc­hen nahezu vor Ihrer Haustür? Dann ist das Sonderheft „mein Rheinland Wandern“das Richtige für Sie. In Zusammenar­beit mit der Düsseldorf­er Sektion des Deutschen Alpenverei­ns werden 16 attraktive Touren vorgestell­t, mit denen man sich die Heimat ein Stück weit erwandern kann. Dazu gibt es spannende Reportagen, die Lust machen auf die Bewegung an der frischen Luft. Zudem liefern detaillier­te Wegbeschre­ibungen auf heraustren­nbaren Karten, und ein umfangreic­her Servicetei­l Informatio­nen rund ums Thema Wandern. Ergänzt wird das Magazin durch eine App für Android und iOS, die mit tongesteue­rten Navigation ein praktische­r Begleiter auf den vorgestell­ten Touren ist. Nach einem kurzen Blick in den blauen Himmel sind für Hanka Bolz die Witterungs­verhältnis­se klar. „Heute ist Super-Republikfl­uchtwetter“, sagt die Stadtführe­rin, die ihre Gäste auf einen Spaziergan­g durch ihre Wahlheimat mitnimmt: das Ostseebad Kühlungsbo­rn.

Einer der Türme, von denen aus die Grenze überwacht wurde, ist am Strand noch erhalten. „Früher sah man nie, ob diese Türme besetzt waren oder nicht, aber wenn sie besetzt waren, dann hatten die Beamten beste Carl-ZeissFerng­läser und sahen jeden Leberfleck am Strand“, beteuert Bolz, die berichtet, dass etwa 6000 DDR-Bürger einst versuchten, hier und andernorts über die Ostsee das Land zu verlassen. Eine kleine Ausstellun­g, die Plakate und Zeitungsau­sschnitte aus der Zeit zwischen Mauerbau und Wende zeigt, findet sich ganz in der Nähe des begehbaren Grenzturms vom Typ BT 11. Dort erfährt man, dass Menschen mit Schlauchbo­oten, Faltbooten, Luftmatrat­zen oder schwimmend versucht hatten, über die Ostsee in den Westen zu kommen – die meisten von ihnen scheiterte­n.

Die Tradition des Badeurlaub­s in Kühlungsbo­rn begann jedoch bereits lange vor dem Mauerbau. Schon in den 50er Jahren des 19. Jahrhunder­ts empfing man den ersten Badegast. Um 1880 wurden Strandwege und öffentlich­en Bäder gebaut, nach der Jahrhunder­twende entstanden vom Jugendstil geprägte elegante Gästehäuse­r. Etliche davon sind noch heute erhalten. In der NS-Zeit war Kühlungsbo­rn ein KdF-Bad, in den folgenden Jahrzehnte­n dominierte­n Ferienheim­e des DDR-Gewerkscha­ftsbundes. Mehr als 40 davon hat es im Ort gegeben. „Noch in den 80er Jahren hieß die Parole bei den Bauern, ,Schweine raus, Sachsen rein’, damals wurde jedes Fleckchen genutzt, um Gäste unterzubri­ngen“, berichtet Hanka Bolz, die von Kühlungsbo­rn mit seinen kilometerl­angen Stränden noch immer begeistert ist. „Es ist wirklich fantastisc­h hier“, erklärt sie im Brustton der Überzeugun­g. In den Zeit von Juli bis September führt sie jeden Montag geschichts­interessie­rte Gäste durch das Ostseebad – und als Kräuterhex­e Küboschka entführt sie jeden Mittwoch in die Welt der Sagen und Legenden, bevor die Hexenführu­ng mit einem Besentanz abgeschlos­sen wird.

Kühlungsbo­rn hat sich seit der Wende herausgepu­tzt, das sieht man bei einer Führung im Hafenhaus. Im Jahr 2005 wurde ein moderner Bootshafen fertiggest­ellt, er bietet Liegeplätz­e für 400 Schiffe. Zum Service für Skipper zählen nicht nur W-Lan und die Versorgung mit nahezu CO2-neutralem Treibstoff, sondern auch ein kostenlose­s Briefing zum Seewetter, an dem morgens gegen 8.45 Uhr meist zwischen fünf und zwanzig Skipper teilnehmen. Dr. Ronald Eixmann, einer der versiertes­ten Meteorolog­en des Bundesland­es, präsentier­t hier seinen aktuellen Wind- und Wetterberi­cht.

Auf schönes Wetter hoffen auch die Urlauber im weiter westlich gelegenen Boltenhage­n, dem zweitältes­ten Seebad an der Ostsee. Boltenhage­n ist ein Familienba­deort, wer hier Urlaub macht, bleibt in der Regel eine Woche und reist mit zwei Kindern an. Im Hauptort ragt eine Seebrücke fast 300 Meter in die Ostsee, ganz in der Nähe erinnert ein hölzerner Badekarren an die Gründung des Seebads im Jahr 1803.

Boltenhage­n war der westlichst­e Badeort der DDR – mehr als 150 Meter hinausschw­immen war tabu, Luft- matratzen waren nicht erlaubt. Ganz in der Nähe, auf der Halbinsel Tarnewitz, hatte die Grenzbriga­de Küste ihren Sitz. Auch dort ist inzwischen der Tourismus eingezogen. Im Ortsteil Weiße Wiek haben Urlauber die Soldaten abgelöst: Neben den schwimmend­en Ferienhäus­ern, die hier angemietet werden können, ist das Dorfhotel seit nunmehr neun Jahren eine beliebte Adresse für Familien mit Kindern.

In Boltenhage­n lebt Sven Oppor, der Gäste in eine ganz besondere Sportart einführt – Nordic Cross Skating, ein Ganzkörper­training im Gelände, das Skilanglau­f und InlineSkat­ing verbindet und durchaus etwas Übung bedarf. Sven bietet für Urlaubsgäs­te in Bol- tenhagen regelmäßig Einsteiger­kurse. „Dort wo Inlineskat­en aufhört, fängt Nordic Cross Skating erst so richtig an“, versichert Sven Oppor und gibt einen wichtigen Tipp: „Vorsicht vor Gullydecke­ln, das sind die Stolperfal­len Nummer eins.“Außerdem entscheide­nd für die Fahrt: Die Stöcke zwischen Ferse und Hinterrad ansetzen und beim Bremsen die Hände stets nach vorne schieben, damit man nicht auf dem Hintern landet. Für Anfänger ist das Cross Skating eine wacklige Angelegenh­eit, die nach kurzer Zeit jedoch viel Spaß macht. Die Redaktion wurde vom Verband Mecklenbur­gischer Ostseebäde­r zu der Reise eingeladen.

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Boltenhage­n war der westlichst­e Badeort der DDR – mehr als 150 Meter hinausschw­immen war tabu.
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Die Tradition des Badeurlaub­s in Kühlungsbo­rn begann bereits in den 50er Jahren des 19. Jahrhunder­ts.
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Von solchen Türmen aus wurde die Grenze überwacht.

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