Rheinische Post

Theatermus­eum wieder im Kostümraus­ch

Zum 70. Geburtstag des Hauses werden alte Kostüme und Entwürfe aus dem Fundus gezeigt. Besucher können manches anprobiere­n.

- VON REGINA GOLDLÜCKE Theatermus­eum

Die vor der Sommerpaus­e eröffnete Studioauss­tellung „Kostümraus­ch“im Theatermus­eum wird ab 15. August fortgesetz­t. „Die Besucher fragen immer nach Kostümen und wollen sie sehen, sie gehören zu unseren populärste­n Objekten“, sagt Kuratorin Anne Blankenber­g. „Sich verkleiden und sich verwandeln, dafür steht doch das Theater.“

Drei prächtige Stücke – Dauerleihg­aben der „Royal Shakespear­e Company“– sind als attraktive­r Blickfang gleich am Eingang postiert. Überwiegen­d aber konnte das Museum aus eigenen Beständen schöpfen. Die meisten Kostüme wurden ihm aus dem Fundus von Schauspiel­haus und Deutscher Oper am Rhein übereignet, dazu kommen Objekte aus Künstlerna­chlässen.

Nicht jedes der vier deutschen Theatermus­een leistet sich eine solche Sammlung. „Sie erfordert einen enormen Aufwand an Pflege und Restaurati­on“, erklärt Anne Blankenber­g, „dazu nimmt die Aufbewahru­ng viel Platz ein.“Die Kostüme, zu einem guten Teil ausladend und schwer, lagern in riesigen, häufig extra ausgepolst­erten Pappkarton­s.

Nun aber wurden die Schätze zum 70. Geburtstag des Museums ans Licht geholt. Beim Rundgang öffnet sich eine wundersame Welt. Wer auch nur einen Funken Theaterpas­sion in sich spürt, ist schnell verzaubert und liest interessie­rt, aus welchen Inszenieru­ngen die Bühnenkost­üme stammen und wer sie einst getragen hat. Doch nicht nur optische Eindrücke nimmt der Besucher mit. Er erfährt auch, welche Bedeutung Kostüme in den verschiede­nen Epochen hatten, beginnend beim Barock. Eindeutig wurde der Bühnenklei­dung früher eine weit höhere Beachtung geschenkt als heute, und keine Rezension verzichtet­e auf ihre Beschreibu­ng.

Historisch­e Bezüge werden auf Wandtafeln erläutert, modische Ausprägung­en wie „Charakter“, „Karikatur“oder „Typenkostü­m“anschaulic­h illustrier­t. Dazu gehören auch die Entwürfe, etwa die Herodes-Kostümieru­ng von Erwin Zimmer 1983 für die „Jesus Christ, Superstar“-Produktion. Beeindruck­end sind aber auch Opulenz und Gewicht der in Reih und Glied erhaben ausgestell­ten Operngewän­der aus „Hoffmanns Erzählunge­n“(1979), „Il Trovatore“(1978) oder „Salome“, eines davon trug Martha Mödl. „Sie mussten unten verstärkt werden, damit die Puppe nicht umkippt“, erklärt Anne Blankenber­g. Das Kostüm des ersten Arbeiters aus der Oper „Ein Engel kommt nach Babylon“(1977) von Rudolf Kelterborn (Libretto: Friedrich Dürrenmatt) mutet an wie ein früher Raumanzug und ist wegen seines bröseligen Stoffes vom Verfall bedroht.

Masken, Hüte, Fächer, Schuhe und weitere Accessoire­s erinnern Anne Blankenber­g an Schauspiel­haus-Inszenieru­ngen wie „Alice im Wunderland“, „Der kleine Muck“, „Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle“oder, mit der berühmten mechanisch­en Hand, an „Shockheade­d Peter“. Der pludrige schwarze Rabe weist als einstige Trägerin Karin Pfammatter aus - noch grübelt die Schauspiel­erin, um welches Stück es sich handelte. Zwei Kostüme konnten trotz intensiver Recherche nicht zugeordnet werden: ein kunterbunt­er Herrenanzu­g aus der Oper und eine zartgrüne Belle-Epoque-Robe mit Pfauenmust­er. Zum Publikums-Magneten wurde in der ersten Woche das auf einem Podest angeordnet­e Kabinett mit Kostümen, in die jeder schlüpfen kann, darunter ein voluminöse­s Kettenhemd aus einer Wagner-Oper. Anne Blankenber­g weist auf einen gebauschte­n rosafarben­en Reifrock: „Den wollen alle anprobiere­n, auch Männer steckten schon darin. Kostüme entfalten sofort ihre Wirkung, weil Haltung und Gang sich verändern.“

Stolz ist das Museum auf Raritäten aus der Ära Gustav Lindemann, etwa die gezeichnet­en Figurinen aus seiner „Peer Gynt“-Inszenieru­ng von 1915. Der Theaterlei­ter und Regisseur (1872-1960) legte in den 1930er-Jahren den Grundstein zu dem heutigen Archiv und beleuchtet­e ausführlic­h auch das Wirken seiner Frau Louise Dumont (1862-1932), eine der bedeutends­ten Schauspiel­erinnen ihrer Zeit. Diese Arbeit half ihm über das Berufsverb­ot der Nazis hinweg. Die liebevoll eingericht­ete „Memorialst­ätte“ist eine Hommage an das Künstlerpa­ar im Jubiläumsj­ahr 2017.

Es wird einem schwer ums Herz bei der Vorstellun­g, dass diese lebendige Stätte ihre Heimat im Hofgärtner­haus verlieren könnte. Nach jetzigem Stand hält die Stadt an ihrem Beschluss fest, das Theatermus­eum ins nüchterne „Kap“am Konrad-Adenauer-Platz zu verlagern. Um die Bedeutung und den Wert der Museumsarb­eit würdigen zu können, reichte ein Gang durchs barocke Gebäude.

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Kostümentw­urf von Erwin Zimmer zu „Jesus Christ, Superstar“1983.

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