NRW unterstützt liberale Moscheen
Die Landesregierung begrüßt Initiativen zur Gründung islamischer Gotteshäuser nach dem Vorbild der säkularen Moschee in Berlin. Kölns Oberbürgermeisterin Reker fordert mehr Einfluss auf Ditib.
DÜSSELDORF Die neue nordrheinwestfälische Landesregierung hat sich für die Einrichtung liberaler Moscheen ausgesprochen. Derartige Gebetshäuser zeigten die Vielfältigkeit des Islam, sagte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) unserer Redaktion: „Daher begrüße ich entsprechende Initiativen.“Wichtig sei, dass sich keine religiöse Gemeinschaft vor einen politischen Karren spannen lasse, ganz gleich aus welcher Himmelsrichtung.
Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) ergänzte: „Muslime in NRW möchten sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Sie verbinden ihre Religion weniger mit dem Bild, das die öffentliche Wahrnehmung dominiert. Für viele von ihnen steht der Islam nicht für Rückständigkeit und Gewalt. Deshalb ist es gut, wenn durch solche Initiativen (zur Gründung liberaler Moscheen, Anm. d. Red.) dieser Wahrnehmung etwas entgegengesetzt wird.“
Eine finanzielle Unterstützung für den Bau liberaler Moscheen schloss ihr Ministerium aber aus. Der Moscheebau anderer islamischer Ver- bände sei bislang auch nicht gefördert worden, hieß es. So sei etwa beim Bau der Merkez-Moschee des deutsch-türkischen Islamverbands Ditib in Duisburg-Marxloh lediglich die Begegnungsstätte der Moschee gefördert worden – ein vom Gotteshaus abgetrennter Bereich, der für die Begegnung, Bildung und Information der Allgemeinheit offensteht.
Vertreter von Muslimen lobten die Haltung der Landesregierung und wiesen auf bereits angestoßene Projekte hin. Die Islamwissenschaftlerin und Mitgründerin des Liberal-Islamischen Bundes (LIB), Lamya Kaddor, sagte: „Der LIB betreibt seit Jahren die Muslimische Gemeinde Rheinland in Köln. Von daher begrüße ich immer die Idee einer liberalen Moschee.“In Köln beten Männer und Frauen gemeinsam, eine Imamin hält die Predigten, Kopftücher sind keine Pflicht. Der LIB plant derzeit die Gründung einer weiteren säkular ausgerichteten Moschee im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Auch der Vorsitzende des Kreises der Düsseldorfer Muslime, Dalinç Dereköy, setzt sich für die Gründung weiterer „vom ‚Mainstream‘-Islam beziehungsweise der klassischen Theologie abweichenden Moscheegemeinden“ein. Dereköy bezweifelt zwar, dass es theologische Berührungspunkte mit etablierten Moscheegemeinden geben wird. Er sagte aber: „Auf einer weltlichen Ebene kann ich mir durchaus eine Zusammenarbeit, ähnlich wie bei den unterschiedlich ausgerichteten christlichen Gemeinden, vorstellen.“
In Berlin hatte die Gründung der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Mo- schee durch die Frauenrechtlerin Seyran Ates für Aufsehen gesorgt. Das Gotteshaus steht jedem offen, egal ob Sunnit, Schiit, Alevit oder Atheist. Frauen dürfen gemeinsam mit Männern unverschleiert beten und selbst predigen. Konservative Muslime bedrohen Ates seit der Eröffnung; die Frauenrechtlerin steht unter Polizeischutz.
Die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker kündigte unterdessen eine härtere Gangart gegenüber dem Islamverband Ditib an. Der Verband steht seit Monaten wegen der Einflussnahme aus Ankara in der Kritik. Noch in diesem Jahr will Ditib an seinem Bundessitz in Köln die neue Zentralmoschee eröffnen. Reker, die bei der Eröffnung anwesend sein will, forderte eine größere Transparenz des Gotteshauses. „Ich möchte, dass der Beirat der Moschee wiederbelebt wird mit einer neuen Ernsthaftigkeit und dem Ziel eines echten Beitrags zu mehr Akzeptanz für die Moschee und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger“, sagte Reker. Außerdem sollten die Imame in Köln auf Deutsch predigen.
Als die Frauenrechtlerin Seyran Ates Mitte Juni in Berlin die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee eröffnete, erschienen etliche Kamerateams. Manchmal wirkte es, als sei ein Rockstar eingetroffen. Dabei hatte Ates lediglich eine Moschee gegründet, in der Männer und Frauen jedweder Glaubensströmung gemeinsam unverschleiert beten und predigen können. Warum das so ein Ereignis war? Weil der liberale Islam noch immer im Schatten steht – auch in Deutschland. Das verstaubte religiöse Weltbild mancher etablierten Moscheeverbände ist viel zu präsent. Hinzu kommt: Der liberale Islam ist bislang nur eine Art Personenkult ohne Strukturen.
Natürlich gibt es entsprechende Vereinigungen und Verbände, die großartige Arbeit leisten. Doch genießen sie nicht die Anerkennung, die sie verdient haben. Das zu ändern, ist auch Aufgabe der Politik. Die Bereitschaft, sich für eine säkulare Form des Islam einzusetzen, muss wachsen. Und jene, die bereits Einsatz zeigen, müssen in ihrem Handeln bestärkt werden. Denn zu einer toleranten und modernen Gesellschaft gehört auch ein toleranter und moderner Islam. Das klare Bekenntnis der NRW-Landesregierung zu mehr liberalen Moscheen ist deshalb wichtig und nachahmenswert. BERICHT