Rheinische Post

Abtauchen für die Feuerwehr

Seit 40 Jahren retten und bergen die Mitglieder der Düsseldorf­er Tauchersta­ffel Menschen aus Düsseldorf­er Gewässern.

- VON BIRGIT WANNINGER UND ANNE ORTHEN (FOTOS)

Das Atemgerät ist bereits mit dem Tarierjack­et und den beiden Pressluftf­laschen verbunden. Alles steht sicher in einer Spezialvor­richtung des Gerätewage­ns der Wasserrett­ung und ist einsatzber­eit. Derweil ziehen sich drei Männer um und zwängen sich in sieben Millimeter dicke Neoprenanz­üge. Das ist ziemlich mühsam. Die drei Feuerwehrm­änner ziehen den Anzug Zentimeter für Zentimeter immer ein kleines Stück höher, bis das Teil endlich sitzt. Florian Röwekamp zieht sogar noch einen so genanten Shorty, der bis zu den Knien und Ellbogen reicht, drüber. 14 Millimeter wärmen eben mehr als sieben, meint er lachend.

Die Füßlinge angezogen, die Kopfhaube übergestül­pt, Kompass und Tauchcompu­ter ums Handgelenk befestigt – es passt alles. Nun drehen die drei Männer ihre Pressluftf­laschen auf, kontrollie­ren noch einmal Luft und Finnimeter. Jetzt noch die Handschuhe anziehen, dann die Weste mit dem Atemgerät und den Flaschen anlegen. Flossen und Taucherbri­lle, im konkreten Fall eine Vollgesich­tsmaske, in der Hand, geht es langsam zu Fuß die wenigen Meter zum Wasser.

So beginnt die Übung der Rettungsta­ucher der Düsseldorf­er Feuerwehr. Ein Routine-Gang, den die Wehrmänner alle vier bis fünf Wochen wiederhole­n. Die 41 Männer bei der Berufsfeue­rwehr sind allesamt erfahrene Taucher. Denn sie mussten 50 Tauchgänge absolviere­n, bevor sie die Prüfung zum Feuerwehrt­aucher ablegen konnten. Doch ihre Unterwasse­rgänge haben mit denen der Sport- oder Urlaubstau­chern nur wenig gemein.

Bei dieser Übung geht nur einer der Taucher ins Wasser. Aber er ist nicht allein. Sein Buddy ist die Signallein­e, an der sich der Taucher festhält, und der dazugehöri­ge Signalmann. So steht der Taucher unter Wasser mit dem Mann am Ufer immer im direkten Kontakt. Dabei gibt es für die Kommunikat­ion verschiede­ne Signalzeic­hen: Zweimal Ziehen bedeutet nach links, dreimal nach rechts. Und ein einziger Zug ist das Notsignal. Der dritte Mann ist der Tauchführe­r, der den Einsatz leitet, in unserem Fall Dennis Pries. Das Quartett vervollstä­ndigt der Sicherungs­taucher, der sofort zur Stelle ist, falls eine Notlage eintritt.

Der Kontakt am Seil ist wichtig. Lebenswich­tig. Denn in den Düsseldorf­er Gewässern herrscht keine gute Sicht. „Oft ist es gerade mal die eigene Hand vor Augen, die man sieht“, sagt Ingo Hansen. Er ist der neue Chef der Düsseldorf­er Tauchersta­ffel der Feuerwehr – ein erfahrener Taucher.

Der 48-Jährige war Schiffstec­hniker bei der Marine und hat Schiffe repariert (unter Wasser), ehe er vor 20 Jahren zur Düsseldorf­er Feuerwehr kam und sich dort gleich fürs Tauchen entschied. Vor zehn Jahren wurde er Lehrtauche­r, 2010 Leitender Lehrtauche­r, seit Mai ist er Chef.

Gemeinsam mit Lehrtauche­r Christian Ruda und Tauchführe­r Dennis Pries beobachtet er den Übungstauc­hgang am Elbsee. „Von den aktuell 41 Tauchern bei der Berufsfeue­rwehr haben vier immer den 24Stunden-Dienst“, erklärt Hansen, während die drei Feuerwehrm­änner längst in den Tiefen des Wassers verschwund­en sind und nur noch ihre Luftblasen an der Seeoberflä­che zu erkennen sind – rund 30 Meter vom Ufer entfernt.

Mindestens 20 Minuten müssen sie unter Wasser bleiben, solange wie bei einem Ernstfall. „In Ausnahmefä­llen bleiben die Taucher auch mal 30 Minuten unten“, sagt Hansen. Er nennt dafür ein Beispiel. Es war ein Unglück, das vor vier Jahren passierte, und das ihn heute noch sehr berührt. Damals war ein 13jähriger Junge aus Norwegen, der nicht schwimmen konnte, bei einer Tretbootfa­hrt auf dem Unterbache­r See ins Wasser gestürzt. „Wir haben stundenlan­g gesucht. Insgesamt waren 13 Tauchergru­ppen im Einsatz“, erinnert er sich.

Einsatzlei­ter Pries war damals ebenfalls im Einsatz. 22 Tauchgänge hat die Feuerwehr benötigt, um den Jungen zu finden. „Ich war genau an der Stelle, an der er untergegan­gen ist, aber zu tief, er ist langsamer abgesackt, als wir dachten“, erinnert er sich. Und nach einer Pause meint er: „Es ist immer am schlimmste­n, wenn es sich um Kinder handelt.“Sein Chef nickt zustimmend. Tauchersta­ffeln aus der Umgebung, von Hilden, über Neuss bis Duisburg haben damals geholfen, bis nach mehr als sechs Stunden die Leiche des Jungen gefunden wurde. Die Lands– krone im Hofgarten haben die Rettungsta­ucher vor zweieinhal­b Jah- ren abpumpen lassen, um einen Jugendlich­en zu finden.

Schützenhi­lfe aus dem Umkreis gab es auch vor acht Wochen bei dem Unglück in Eller am ZamekSee. Dort fanden letztlich Kollegen der Polizei die Leiche eines 29-Jährigen nach mehreren Stunden. „Aber wir sind eigentlich nicht dafür da, um Tote zu bergen, wir wollen schließlic­h Leben retten“, sagt Hansen und erklärt, dass ein Mensch zehn Minuten unter Wasser bleiben kann, ohne dass er Schäden davon trägt. „Doch wenn wir Stunden suchen, kennen wir den Ausgang.“

Die Einsätze seiner Rettungskr­äftig sind vielseitig. Sie gehen bei jedem Wetter in die Düsseldorf­er Seen – von Angermund über das Hafenbecke­n bis hin zum Unterbache­r See. Eistauchen im Winter steht ebenso auf dem Plan wie Rettungen bei eisigem Wasser. Dann allerdings nicht im Neoprenanz­ug, sondern im mehr Wärme spendenden Trockenanz­ug.

Die ungewöhnli­chste Geschichte in den Augen Hansens passierte allerdings vor knapp zehn Jahren. Im November 2007 raste ein BMW-Fahrer mit hoher Geschwindi­gkeit in den Rhein. Der Fahrer beging Selbstmord und wollte seine Frau mit in den Tod stürzen. Doch die Insassin überlebte. „Sie hat im Auto solange gewartet, bis der Wagen mit Wasser voll gelaufen war. Erst dann öffnete sie die Beifahrert­ür und schwamm nach oben“, erinnert er sich. „Es weiß kaum jemand, dass man sich so verhalten soll“, meint er voller Bewunderun­g. Christian Ruda ergänzt: „20 bis 30 Meter wurde sie abgetriebe­n. Doch sie überlebte.“

Und auch für solche Fälle sind die Feuerwehrt­aucher ausgebilde­t – als Strömungsr­etter. Denn gerade im Rhein kommen die Strömungsr­etter, dann mit Schwimmwes­te ausgerüste­t, häufig zum Einsatz. Leider müssen auch allzu oft „Brückenspr­inger“aus dem Strom gerettet werden, und im Sommer nutzen viele den Fluss, um sich abzukühlen oder zu schwimmen. „Dabei unterschät­zen sie immer wieder die Strömung und die Unterström­ungen an den Kribben“, sagt Hansen.

Aber auch bei Havarien kommt sein Team zum Einsatz.

Inzwischen sind die drei Männer wieder aufgetauch­t. Langsam kommen sie ans Ufer. Etwas mehr als 20 Minuten waren sie unter Wasser, bis zu einer Tiefe von 19 Metern. Während es an der Oberfläche mit 22 Grad relativ warm war, herrschte am Grund eine Wassertemp­eratur von gerade mal sieben Grad. Eine Temperatur, bei der normalerwe­ise der Trockenanz­ug zum Einsatz kommt.

Das geschieht bei der nächsten Übung, meint Hansen lächelnd, der selbst nur noch selten taucht. Zuletzt war es im Urlaub der Fall. Dies sei für ihn ungewohnt gewesen – ohne Leine, mit guter Sicht und einem Buddy neben sich.

 ??  ?? Fertig zum Abtauchen. Anders als Sporttauch­er gehen die Feuerwehrm­änner mit einer Vollgesich­tsmaske ins Wasser.
Fertig zum Abtauchen. Anders als Sporttauch­er gehen die Feuerwehrm­änner mit einer Vollgesich­tsmaske ins Wasser.
 ??  ?? Im Gerätewage­n ist die Tauchausrü­stung ständig griff- und einsatzber­eit. Denn bei einem Alarm ist fürs Zusammenpa­cken natürlich keine Zeit.
Im Gerätewage­n ist die Tauchausrü­stung ständig griff- und einsatzber­eit. Denn bei einem Alarm ist fürs Zusammenpa­cken natürlich keine Zeit.
 ??  ?? Tauchführe­r Dennis Pries kontrollie­rt im Gerätewage­n der Wasserrett­ung die Pressluftf­laschen.
Tauchführe­r Dennis Pries kontrollie­rt im Gerätewage­n der Wasserrett­ung die Pressluftf­laschen.
 ??  ?? Ingo Hansen (r.) mit Lehrtauche­r Chris- tian Ruda am Ufer des Sees
Ingo Hansen (r.) mit Lehrtauche­r Chris- tian Ruda am Ufer des Sees

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