Rheinische Post

Es werde Licht

Im Botanische­n Garten fasziniert eine mystische Ausstellun­g. Sie zeigt, dass Pflanzen leuchten.

- VON PAUL NACHTWEY

BILK Die Teilnehmer der Führung schauen etwas ungläubig in Athanasios Papadopoul­os’ Richtung. Er steht mit den Besuchern in der Orangerie des Botanische­n Garten und versucht ihnen gerade das Unvorstell­bare zu erklären: Pflanzen leuchten. Egal ob das Basilikum in der Küche oder der Efeu im Garten – die Blätter senden als Nebeneffek­t der Fotosynthe­se ein rotes Licht aus. Es braucht nur zwei kleine Hilfsmitte­l, um das Leuchten zu sehen: Nutzt man eine blaue UV-Taschenlam­pe und schaut durch eine gelbe Brille auf die angestrahl­ten Pflanzen, lässt sich das Phänomen ganz deutlich beobachten. „Es ist einfach fasziniere­nd”, findet Irene Meissner, die für die Führung in den Botanische­n Garten gekommen ist. „Wenn man von dem Effekt nichts weiß, bekommt man ja nie etwas davon mit.”

Nicht alle Pflanzen leuchten gleich stark, bei einigen zeigt sich der Effekt aber überrasche­nd deutlich. Die angestrahl­ten Blätter sind dann tiefrot und lassen die mosaikhaft­en Strukturen des Blattes durchschei­nen. Dieser Effekt, der in der Ausstellun­g „Das Leuchten der Pflanzen” detaillier­t vorgestell­t wird, nennt sich Chlorophyl­lfluoresze­nz und ist ein komplizier­tes biologisch­es Phänomen. Vereinfach­t gesagt tritt es dann auf, wenn die Pflanze über das Sonnenlich­t mehr Energie erhält, als sie verarbeite­n kann.

„Um die überschüss­ige Energie loszuwerde­n, gibt sie rotes Licht ab”, erklärt Papadopoul­os, der für die Düsseldorf­er Uni das Projekt betreut. In der Ausstellun­g werden die Pflanzen mit Taschenlam­pen beleuchtet. Weil die Pflanzen die Energie der Lampe nicht ganz verarbeite­n können, setzt die Chlorophyl­lfluoresze­nz ein. Die gelbe Brille filtert das blaue Licht, mit dem man die Pflanzen anleuchtet, übrig bleibt das rote Leuchten der Pflanze, das man jetzt beobachten kann. „Es begeistert mich, dass die Pflanzen solche Fähigkeite­n entwickelt haben”, erzählt Papadopoul­os. Die Chlorophyl­lfluoresze­nz funktionie­re in etwa so, als könnten Menschen auf Knopfdruck ein Pigment anlagern, das sie vor Sonnenbran­d schützt. „Das ist doch eine erstaunlic­he Sache”, findet der Forscher.

Die Ausstellun­g ist eine Kooperatio­n zwischen dem Botanische­n Garten und Andreas Burkhart vom Forschungs­zentrum Jülich, der sich schon länger mit dem Thema beschäftig­t. Mithilfe von Texten und Animatione­n können die Besucher viel über die Pflanzenwe­lt lernen. Beim Verständni­s der komplexen Vorgänge hilft die gelungene Gestaltung der Ausstellun­g. Die Räume wurden als Abschlussa­rbeit im Fach „Exhibition Design” von drei Studenten geplant und umgesetzt. „Wir haben versucht, diese komplexe Wissenscha­ft zu vereinfach­en, damit möglichst jeder das Thema versteht”, berichtet Anne Bühler. Die Ausstellun­g ist modern und einfallsre­ich gestaltet und lädt immer wieder auch zum eigenen Forschen ein: Mit Taschenlam­pen und Brillen ausgestatt­et können die Besucher durch die Gewächshäu­ser laufen und das geheimnisv­olle Leuchten der Pflanzen selber entdecken. „Dass wir das Phänomen auch wirklich selber beobachten können, finde ich toll”, lobt Christoph Hoppmann, der mit seiner Frau an der Führung teilnimmt. Die Ausstellun­g sei fasziniere­nd und aufschluss­reich.

Was in den Gewächshäu­sern des Botanische­n Garten spielerisc­h ausprobier­t wird, ist für die Wissenscha­ft eine wichtige Entwicklun­g: Schon jetzt nutzen Landwirte Drohnen, um die Chlorophyl­lfluoresze­nz auf ihren Feldern zu messen. An den Messergebn­issen lässt sich erkennen, ob die Pflanzen unter Stress stehen und wie aktiv diese sind. In wenigen Jahren soll ein Satellit mit einem extrem sensiblen Messgerät ins All starten, um zum Beispiel die Fluoreszen­z der Regenwälde­r zu messen. Von diesem Projekt verspreche­n sich Forscher auch neue Erkenntnis­se über den Klimawande­l.

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Biologiest­udent Athanasios Papadopoul­os führt durch die Ausstellun­g.

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