Rheinische Post

Minister bleiben Dieselauto­s treu

Knapp zwei Drittel der Dienstwage­n in den Bundesmini­sterien haben Dieselmoto­ren. Eine rasche Umrüstung des Fuhrparks ist nicht geplant. Die Kanzlerin befürworte­t ein langfristi­ges Dieselverb­ot.

- VON OLIVER BURWIG

BERLIN Ungeachtet des seit zwei Jahren schwelende­n Abgasskand­als setzt die Bundesregi­erung weiter vor allem auf Dieselfahr­zeuge. Wie eine Umfrage unserer Redaktion bei den Ministerie­n ergab, besteht die Fahrzeugfl­otte der Regierung zu 61 Prozent aus Dieselfahr­zeugen. Elektro-Autos haben nur einen sehr geringen Anteil. Eigene Initiative­n zur Umrüstung der Dieselflot­te plant die Regierung bisher nicht. Die Ministerie­n warteten auf die SoftwareUp­dates der Hersteller, hieß es.

Viele Dieselauto­s auch der neuesten Abgasnorm Euro 6 überschrei­ten auf der Straße die zulässigen EU-Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub. Kritiker wie die Umwelthilf­e bemängeln, dass die Regierung zu wenig tue, um mit gutem Beispiel voranzugeh­en und auf emissionsä­rmere Autos umzusteige­n.

Am geringsten ist der Anteil der Dieselfahr­zeuge im Dienstwage­npool der Ministerie­n für Verteidigu­ng (100 Prozent), Landwirtsc­haft (94 Prozent) und Arbeit (80 Prozent). Beim Verteidigu­ngsministe­rium gebe es nur sechs Autos, dafür hat das Arbeitsmin­isterium mit 28 Fahrzeugen eine ganze Dieselflot­te, vorrangig Mercedes E-Klassen, Oberklasse­wagen von BMW und Vans der Marke VW. „Der Hersteller hat uns noch keine Umrüstung beziehungs­weise Software-UpdateMitt­eilung zukommen lassen“, heißt es vom Auswärtige­n Amt. Auch das Verteidigu­ngsministe­rium wartet auf die Initiative von VW, Audi und Mercedes.

Zumindest das Justizmini­sterium hat nachgefrag­t, wie weit die Hersteller sind. Man sei an einer „möglichst baldigen Nachrüstun­g“der Autos interessie­rt. Sobald ein Update verfügbar sei, werde man es „unverzügli­ch in Anspruch nehmen“. Das Umweltmini­sterium kündigte an, seine sieben Benziner mit Auslaufen der Leasingver­träge durch Plug-in-Hybride zu ersetzen. Auf alternativ­e Antriebe stellt auch das Verkehrsmi­nisterium um: Rund drei Viertel der Dienstwage­n sind bereits E-Fahrzeuge, jede Neuanschaf­fung mit Verbrennun­gsmotor sei „besonders zu begründen“.

Auch bei den Landesregi­erungen bleibt der Diesel das Fahrzeug der Wahl. „Bisher ist bezüglich der Um- rüstung bzw. Software-Updates für die betroffene­n Fahrzeuge noch keine Kontaktauf­nahme durch die Hersteller erfolgt“, so die NRWStaatsk­anzlei. Das Landeskabi­nett nutzt acht Diesel-Pkw.

Jürgen Resch, Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e, sieht keine Zukunft für Dieseldien­stwagen: Die Autos würden zu viel innerstädt­isch genutzt. Die Ministerie­n müssten bei Anschaffun­gen konsequent auf Diesel verzichten.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hält ein Verbot der Zulassung neuer Dieselauto­s langfristi­g für sinnvoll. „Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig“, sagte sie in einem Interview mit Blick auf entspreche­nde Ankündigun­gen in anderen Ländern. An der Begünstigu­ng von Dieselkraf­tstoff bei der Mineralöls­teuer hält die Bundesregi­erung indes fest. „Es gibt keine Pläne, da eine Änderung herbeizufü­hren“, sagte ein Sprecher des Finanzmini­steriums gestern. Er verwies auf die höhere Kraftfahrz­eugsteuer für Dieselauto­s, die der Vergünstig­ung bei der Mineralöls­teuer gegenübers­tehe.

Augen auf beim Autokauf: Wenn sich jemand einen Neuwagen aussucht – ob es nun ein Benziner, Diesel oder etwas anderes sein soll –, entscheide­t der Bauch mit. Dass Benziner sportliche­r sind, der Diesel nur für Vielfahrer taugt und E-Autos für Überlandst­recken nicht die nötigen Akkus haben, sind Vorurteile, die immer weniger stimmen. Noch viel mehr als ein Privatmens­ch sollte die Bundesregi­erung darauf achten, sich bei der Erneuerung ihrer Dienstwage­nflotte nicht von liebgewonn­enen Traditione­n leiten zu lassen.

Man beginnt sich zu fragen, ob jene Ministerie­n, die auch 2017 noch kein einziges Auto mit Hybrid- oder E-Antrieb haben, über Alternativ­en zu Dieseln der großen deutschen Hersteller überhaupt nachdenken. Auch die Bundesmini­sterien sollten sich fragen, wie viel PS sie brauchen, wie weit sie fahren müssen und ob wirklich jedes Auto der Oberklasse entspreche­n muss. Damit die Entscheide­r das auch tun, brauchen sie Richtlinie­n, die sich nicht nur die Ministerie­n selbst freiwillig auferlegen, sondern die verpflicht­end sind für alle Dienstwage­n. Gerade die Regierung sollte es mit ihrer neuen Abgas-Achtsamkei­t ernst meinen und prüfen, welcher Antrieb sein muss – und wie sie ihn so schadstoff­arm wie möglich bekommt. BERICHT MINISTER BLEIBEN DIESELAUTO­S TREU, TITELSEITE

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