Minister bleiben Dieselautos treu
Knapp zwei Drittel der Dienstwagen in den Bundesministerien haben Dieselmotoren. Eine rasche Umrüstung des Fuhrparks ist nicht geplant. Die Kanzlerin befürwortet ein langfristiges Dieselverbot.
BERLIN Ungeachtet des seit zwei Jahren schwelenden Abgasskandals setzt die Bundesregierung weiter vor allem auf Dieselfahrzeuge. Wie eine Umfrage unserer Redaktion bei den Ministerien ergab, besteht die Fahrzeugflotte der Regierung zu 61 Prozent aus Dieselfahrzeugen. Elektro-Autos haben nur einen sehr geringen Anteil. Eigene Initiativen zur Umrüstung der Dieselflotte plant die Regierung bisher nicht. Die Ministerien warteten auf die SoftwareUpdates der Hersteller, hieß es.
Viele Dieselautos auch der neuesten Abgasnorm Euro 6 überschreiten auf der Straße die zulässigen EU-Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub. Kritiker wie die Umwelthilfe bemängeln, dass die Regierung zu wenig tue, um mit gutem Beispiel voranzugehen und auf emissionsärmere Autos umzusteigen.
Am geringsten ist der Anteil der Dieselfahrzeuge im Dienstwagenpool der Ministerien für Verteidigung (100 Prozent), Landwirtschaft (94 Prozent) und Arbeit (80 Prozent). Beim Verteidigungsministerium gebe es nur sechs Autos, dafür hat das Arbeitsministerium mit 28 Fahrzeugen eine ganze Dieselflotte, vorrangig Mercedes E-Klassen, Oberklassewagen von BMW und Vans der Marke VW. „Der Hersteller hat uns noch keine Umrüstung beziehungsweise Software-UpdateMitteilung zukommen lassen“, heißt es vom Auswärtigen Amt. Auch das Verteidigungsministerium wartet auf die Initiative von VW, Audi und Mercedes.
Zumindest das Justizministerium hat nachgefragt, wie weit die Hersteller sind. Man sei an einer „möglichst baldigen Nachrüstung“der Autos interessiert. Sobald ein Update verfügbar sei, werde man es „unverzüglich in Anspruch nehmen“. Das Umweltministerium kündigte an, seine sieben Benziner mit Auslaufen der Leasingverträge durch Plug-in-Hybride zu ersetzen. Auf alternative Antriebe stellt auch das Verkehrsministerium um: Rund drei Viertel der Dienstwagen sind bereits E-Fahrzeuge, jede Neuanschaffung mit Verbrennungsmotor sei „besonders zu begründen“.
Auch bei den Landesregierungen bleibt der Diesel das Fahrzeug der Wahl. „Bisher ist bezüglich der Um- rüstung bzw. Software-Updates für die betroffenen Fahrzeuge noch keine Kontaktaufnahme durch die Hersteller erfolgt“, so die NRWStaatskanzlei. Das Landeskabinett nutzt acht Diesel-Pkw.
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sieht keine Zukunft für Dieseldienstwagen: Die Autos würden zu viel innerstädtisch genutzt. Die Ministerien müssten bei Anschaffungen konsequent auf Diesel verzichten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält ein Verbot der Zulassung neuer Dieselautos langfristig für sinnvoll. „Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig“, sagte sie in einem Interview mit Blick auf entsprechende Ankündigungen in anderen Ländern. An der Begünstigung von Dieselkraftstoff bei der Mineralölsteuer hält die Bundesregierung indes fest. „Es gibt keine Pläne, da eine Änderung herbeizuführen“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums gestern. Er verwies auf die höhere Kraftfahrzeugsteuer für Dieselautos, die der Vergünstigung bei der Mineralölsteuer gegenüberstehe.
Augen auf beim Autokauf: Wenn sich jemand einen Neuwagen aussucht – ob es nun ein Benziner, Diesel oder etwas anderes sein soll –, entscheidet der Bauch mit. Dass Benziner sportlicher sind, der Diesel nur für Vielfahrer taugt und E-Autos für Überlandstrecken nicht die nötigen Akkus haben, sind Vorurteile, die immer weniger stimmen. Noch viel mehr als ein Privatmensch sollte die Bundesregierung darauf achten, sich bei der Erneuerung ihrer Dienstwagenflotte nicht von liebgewonnenen Traditionen leiten zu lassen.
Man beginnt sich zu fragen, ob jene Ministerien, die auch 2017 noch kein einziges Auto mit Hybrid- oder E-Antrieb haben, über Alternativen zu Dieseln der großen deutschen Hersteller überhaupt nachdenken. Auch die Bundesministerien sollten sich fragen, wie viel PS sie brauchen, wie weit sie fahren müssen und ob wirklich jedes Auto der Oberklasse entsprechen muss. Damit die Entscheider das auch tun, brauchen sie Richtlinien, die sich nicht nur die Ministerien selbst freiwillig auferlegen, sondern die verpflichtend sind für alle Dienstwagen. Gerade die Regierung sollte es mit ihrer neuen Abgas-Achtsamkeit ernst meinen und prüfen, welcher Antrieb sein muss – und wie sie ihn so schadstoffarm wie möglich bekommt. BERICHT MINISTER BLEIBEN DIESELAUTOS TREU, TITELSEITE