Die neuen Weltverbesserer
Nach der Philosophie der neuen Weltverbesserer fühlt man sich erst einmal ungut. Haben wir denn nicht den Fleischverzehr auf ein mickriges Minimum beschränkt? Entscheiden wir uns etwa nicht immer öfter für Bioprodukte – soweit greifbar? Fahren wir nicht mindestens zweimal pro Woche mit dem Rad zur Arbeit und sind sehr gelegentlich mit guten Taten zur Stelle? Alles schön und gut und moralisch achtenswert. Doch eigentlich könnte man sich diese Hilfe auch schenken, aus dem Grund: Sie ist herzlich uneffektiv.
Genau das bekommt man in den vielen Statements zum Weltbild einer jungen, noch übersichtlichen, aber hochgebildeten Gruppe von Wohltätern zu lesen. Sie nennen sich die Effektiven Altruisten, ein Wortungetüm, das – vielleicht aus Effektivitätsgründen – gerne nur mit EA abgekürzt wird.
Worum es den weltweit organisierten Anhängern geht? Ganz simpel und grundsätzlich gesprochen: um eine bessere Welt und um die Haltung, erst an andere zu denken. Doch eine Massenbewegung wird aus dem EA dennoch kaum werden. Denn dafür ist er zu speziell, zu intellektuell und vor allem zu anspruchsvoll. Auch wenn es keine Richtschnur für die Anhänger gibt, so geben die meisten EA-Vertreter zehn Prozent ihres Bruttoeinkommens für gute Zwecke – fast vergleichbar mit der alten Abgabe des sogenannten Zehnten; in Einzelfällen sind es gar 60 Prozent, so jedenfalls entsprechende Selbstauskünfte in den sozialen Medien.
Die Abgabeform beschreibt die altruistische Seite der jungen Bewegung. Und sie unterscheidet sich damit nur unwesentlich von bisherigen Spendenaktionen. Prekär und spannend wird es erst mit der Effektivität. Denn das ist der eigentliche Clou: Moralisches und wirt- schaftliches Handeln berühren dabei einander. Nach Ansicht der EA-Anhänger verschmelzen Herz und Hirn. Doch die auch philosophisch getriebenen Überlegungen, wie am effektivsten in dieser Welt geholfen werden könne, lassen ein Übergewicht des streng Rationalen erkennen.
Da werden Vergleiche aufgestellt und Rechnungen aufgemacht, die zwar alle rational begründet werden können, die aber die emotionale Seite wie Mitgefühl und Betroffenheit auszublenden scheinen. Effektive Altruisten sind auch Zahlenmenschen. Und ihren Entscheidungen, wo wem am besten geholfen wird, liegen meist rigide Kosten-NutzenRechnungen zugrunde. Etwa: Ist es gut, im eigenen Land einem Blinden für 10.000 Euro einen Blindenhund zu finanzieren; oder sollte man das Geld sparen, um damit 300 Augenoperationen in Afrika bezahlen zu können? Es gibt noch kältere Gedankenexperimente: Wir spazieren im Wald an einem Teich vorbei, an dem ein Kind vom Holzsteg fällt und zu ertrinken droht. Rennen wir sofort hin, um zu helfen, auch wenn keine Zeit mehr bleibt, die 3000 Euro teure Luxusuhr vom Handgelenk zu streifen? Wahrscheinlich würden die meisten das bejahen. Aber heißt das dann tatsächlich auch, dass uns das Leben eines Kindes 3000 Euro wert ist? Warum dann aber nur in Notsituationen, wenn zugleich mit 3000 Euro zahlreiche Malarianetze gekauft und auf diese Weise zahlreiche Kinderleben gerettet werden könnten? Wollen wir mit der Rettung des einzelnen Kindes also möglicherweise nur künftige Schuldgefühle vermeiden? Leid, so sagen es die Effektiven Altruisten, werde nicht dadurch weniger schlimm, dass man es geografisch verschiebt.
Es existiert auch eine Stiftung für Effektiven Altruismus, die sich als Schnittstelle von Ethik und Wissenschaft versteht – eine „Denkfabrik“, deren Zweck es ist, „die Lebensqualität möglichst vieler empfindungsfähiger