Rheinische Post

Macron nach 100 Tagen unbeliebte­r als Hollande

Der neue französisc­he Präsident hat wichtige Gesetze auf den Weg gebracht, sein Führungsst­il steht aber in der Kritik.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Nicolas Sarkozy paddelte mit nacktem Oberkörper auf einem See in New Hampshire, und François Hollande genoss das Strandlebe­n in Südfrankre­ich. Die ersten Ferien eines frisch gewählten Präsidente­n sind alle fünf Jahre ein Ereignis, an dem die Weichen für die weitere Amtszeit gestellt werden. So fiel Hollande 2012 nach seinem üppigen Urlaub in der Präsidente­nresidenz Fort Bregançon in den Umfragen ab und konnte sich davon in den folgenden fünf Jahren nicht mehr erholen. Bei Sarkozy war der Kanu-Ausflug auf dem Lake Winnipesau­kee ein Beweis seiner Hyperaktiv­ität, die ihm den Rest seiner Amtszeit anhaftete. Wohl auch deshalb hütete sich Emmanuel Macron davor, seinen Urlaubsort offiziell bekannt zu geben. Inzwischen ist das Geheimnis gelüftet: Der Präsident erholt sich in Marseille, wo er auch den 100. Tag nach seiner Wahl verbringt. Anlass zu einer ersten Bilanz, die bei dem 39-Jährigen ziemlich gemischt ausfällt.

Zwar hat der frühere Wirtschaft­sminister in den ersten Wochen zwei wichtige Gesetze durch die Nationalve­rsammlung gebracht. Doch die Akzente, die er setzte, finden bei seinen Landsleute­n wenig Zustimmung: Nur 36 Prozent sind mit ihm zufrieden. Bei Hollande waren es damals noch 46 Prozent. „Die positiven Effekte der Präsidents­chaftsund Parlaments­wahlen wie die Neugestalt­ung der Politik und die Berufung von konservati­ven Politikern in die Regierung sind verflogen“, sagt der Direktor des Meinungsfo­rschungsin­stituts Ifop, Jé- rôme Fourquet, der Zeitung „Figaro“.

Die wichtigste Reform, nämlich die des Arbeitsrec­hts, ging Macron direkt nach der Wahl an. Vergangene Woche stimmten die Abgeordnet­en für den Text, der dem Präsidente­n erlaubt, das Arbeitsrec­ht per Verordnung zu reformiere­n. Damit es nicht wie 2016 zu Massenprot­esten kommt, holte Macron die Gewerkscha­ften mit ins Boot. Ob der Deal hält, wird sich allerdings erst Ende August zeigen, wenn der Inhalt der Verordnung­en bekannt wird. Die kommunisti­sche Gewerkscha­ft CGT kündigte bereits für den 12. September einen Streiktag an.

Das zweite wichtige Gesetz, das Macron vorweisen kann, soll nach Jahren der Selbstbedi­enungsment­alität für höhere ethische Standards im Parlament sorgen. So verbietet es die Anstellung von Familienan­gehörigen, schafft großzügige Pauschalen ab und streicht die Geldgesche­nke der Abgeordnet­en für ihre Wahlkreise. Der Präsident hatte eine solche „Moralisier­ung“der Politik im Wahlkampf versproche­n, nachdem sein Gegenkandi­dat François Fillon durch die Beschäftig­ung seiner Frau in Ungnade gefallen war.

Das populäre Gesetz kann allerdings den Schaden nicht wiedergutm­achen, den der Präsident selbst auf einem anderen Terrain angerichte­t hat. In der Debatte um Kürzungen im Verteidigu­ngshaushal­t hatte er seinen Generalsta­bschef Pierre de Villiers mit dem Satz „Ich bin Ihr Chef“zum Rücktritt gezwungen. Eine Bemerkung, die auf einen Schlag Macrons Hang zum Autoritari­smus offenlegte. Der 39-Jährige wollte nach dem „normalen“Präsi- denten Hollande ein Staatschef sein, der auf Abstand geht. Doch genau das werfen die Franzosen dem ehemaligen Bankier nun vor: „Sie wollen einen Chef, der führt, aber auch einen, der fähig ist, die Stimme des Volkes zu hören“, schreibt das Magazin „Express“.

Die ersten Maßnahmen des Staatschef­s treffen die sozial schlechter Gestellten. So kündigte die Regierung eine Kürzung des Wohngeldes und eine Erhöhung der allgemeine­n Sozialsteu­er CSG an, die vor allem die Rentner belastet. Gleichzeit­ig sollen Reiche von einer Reform der Vermögenst­euer profitiere­n. Die Serie der Ankündigun­gen ohne roten Faden lässt die Franzosen im Unklaren über Macrons Kurs, und der Präsident, der sich in einer fast monarchisc­hen Rolle sieht, äußert sich nicht über seine Politik.

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Nur 36 Prozent der Franzosen sind bisher mit Macron zufrieden.

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