NRW in Krupp-Stiftung ohne Stimme
Hannelore Krafts Sitz ist vakant – in einer für Thyssenkrupp wichtigen Phase.
DÜSSELDORF Die Landesregierung ist derzeit nicht in der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung vertreten. Nach Informationen unserer Redaktion hat die bisherige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihr Mandat im Kuratorium der Stiftung bereits Ende Juni abgegeben. Ihr Nachfolger Armin Laschet (CDU) sei aber noch nicht nachgerückt, heißt es in Düsseldorf. Darüber werde erst in den nächsten Monaten entschieden. Es wird damit gerechnet, dass auch Laschet in das Gremium berufen wird. Die Stiftung wollte sich dazu aber nicht äußern, ihre Satzung ist geheim. Auch die Staatskanzlei äußerte sich gestern nicht.
Die Vakanz kommt zur Unzeit: Ausgerechnet in einer für den Konzern zukunftsentscheidenden Phase hat die Landesregierung nur verminderten Einfluss auf das Schicksal des 206 Jahre alten Unternehmens. Die Krupp-Stiftung ist der größte Eigner von Thyssenkrupp und bestimmt maßgeblich die Geschicke des Konzerns mit. Allein in NRW hat Thyssenkrupp mehr als 30.000 Beschäftigte.
Seit eineinhalb Jahren verhandelt Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger über eine Zusammenlegung der Stahlsparte mit dem britisch-indischen Konkurrenten Tata, spätestens bis zum Jahresende wird mit einem Ergebnis gerechnet. Sollten die Gespräche scheitern, käme laut Insidern als Alternative eine Spaltung des Konzerns in Betracht, verbunden mit einem Börsengang der Stahl- oder der Industriesparte.
Wie in Düsseldorf weiter verlautete, bestand für Kraft keine Notwendigkeit, ihr Stiftungsmandat niederzulegen. Das Ehrenamt ist an die Person gebunden, nicht an das Amt des Ministerpräsidenten. Gleichwohl ist es Tradition, dass der Regierungschef des Landes im zurzeit zehnköpfigen Stiftungskuratorium eine Stimme hat.
Kraft teilte gestern mit, nach ihrem Verständnis erfolge die Berufung zwar als Privatperson, aber auch im Hinblick auf ihre Funktion als Ministerpräsidentin. Es sei für sie daher logisch gewesen, das Mandat niederzulegen.
Kaum ein Konzern ist so eng mit der deutschen Geschichte verknüpft wie Thyssenkrupp. Im Guten wie im Schlechten. Der Aufstieg Deutschlands zur Industrienation wäre ohne den 206 Jahre alten Stahlhersteller nicht möglich gewesen. Aber auch die Beteiligung an den beiden Weltkriegen gehört zum historischen Vermächtnis des Konzerns aus Essen.
Ein politischer Konzern ist Thyssenkrupp auch heute noch, allein wegen seiner U-Boote. Um nichts weniger als die Zukunft dieses Konzerns mit 156.000 Beschäftigten geht es in diesen Tagen. Gibt Thyssenkrupp die Stahlsparte in die Hände des britisch-indischen Tata-Konzerns? Spaltet es die Stahlsparte ab, um Teile davon an die Börse zu bringen? Was bedeutet all dies für die Standorte im Land?
Noch ist die Krupp-Stiftung die Haupteignerin des Konzerns. Dass im Kuratorium zurzeit der Ministerpräsident keine Stimme hat, zeigt, wie lose die Verbindung zwischen Stiftung und Land inzwischen ist. Das ist keine gute Nachricht, vor allem nicht für die Beschäftigten.