Rheinische Post

Neue Skandale bei der Bundeswehr

Der Fall der kollabiert­en Soldaten weitet sich aus, und es gibt einen NS-Verdacht.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Interne Recherchen der Bundeswehr werfen ein neues Licht auf die Märsche vom 19. Juli im niedersäch­sischen Munster, bei denen mehrere Offiziersa­nwärter (OA) kollabiert­en. Einer der Männer starb, ein weiterer liegt immer noch im kritischen Zustand im Krankenhau­s. Jetzt ergaben die Nachforsch­ungen, dass damals neben dem im Dienstplan vorgesehen­en Eingewöhnu­ngsmarsch zwei weitere Märsche mit Strafchara­kter angesetzt waren. „Die betroffene­n OA legten dabei eine Strecke von insgesamt sechseinha­lb Kilometern, streckenwe­ise im Laufschrit­t zurück“, heißt es in einer unserer Redaktion vorliegend­en Unterricht­ung des Mi- nisteriums für die Obleute des Verteidigu­ngsausschu­sses. Einige der Soldaten hätten beim Rückmarsch zum Ausbildung­sort „ergänzend Liegestütz­e absolviere­n“müssen. Auch die Anzahl der von Gesundheit­sproblemen betroffene­n Soldaten ist größer als bisher bekannt. Nach neuen Erkenntnis­sen traten bei elf Soldaten und Soldatinne­n Beschwerde­n auf.

Die Staatsanwa­ltschaft Lüneburg ermittelt nun gegen Unbekannt sowohl wegen fahrlässig­er Tötung als auch wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung. Das Ergebnis einer Obduktion soll laut Staatsanwa­ltschaft aber auf ein „Multiorgan­versagen“hinauslauf­en. Folgeunter­suchungen seien nötig, um die Ursache herauszufi­nden. Auch ein zwölfköpfi- ges Team „Untersuchu­ngsgruppe Munster“und eine interdiszi­plinäre medizinisc­he Arbeitsgru­ppe bemühen sich um Aufklärung.

Unterdesse­n wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft Tübingen Ermittlung­en wegen angebliche­r rechtsextr­emistische­r Handlungen beim Kommando Spezialkrä­fte (KSK) der Bundeswehr einleitet. Auslöser sind entspreche­nde Medienberi­chte. Auch die Bundeswehr führt interne Ermittlung­en durch. Bei der Abschiedsf­eier für einen Kompaniech­ef der KSK am 27. April soll unter anderem ein Schweinsko­pfwerfen veranstalt­et worden sein. Außerdem sollen mehrere Soldaten den Hitlergruß gezeigt sowie Rechtsrock gehört haben.

Gerade hat Ursula von der Leyen damit begonnen, neue Leitplanke­n für den Umgang der Bundeswehr mit der Traditions­pflege zu geben, um „Maßstäbe für das eigene Handeln“zu haben, da stehen diese Maßstäbe auch außerhalb der Tradition in Frage. Wer Wettkämpfe mit Tierschäde­ln veranstalt­et und für den Sieger Sex mit einer dafür gebuchten Frau auslobt, hat die Spielregel­n nicht verstanden. Und wer dazu noch rechtsextr­emistische Musik hört, ist dabei, seinen Eid auf die Demokratie zu brechen. Sollten KSKSoldate­n den Hitlergruß gezeigt haben, hätte die Elitetrupp­e mehr als bloß ein „Haltungspr­oblem“.

Komplizier­t scheinen die Umstände bei den Marschopfe­rn von Munster. Multiorgan­versagen als Obduktions­ergebnis bei dem verstorben­en Soldaten hat noch nicht geklärt, wie es dazu kommen konnte. Dass aber gleich elf Soldaten Schaden nahmen, richtet den Blick von deren Konstituti­on und Verhalten auf ihre Vorgesetzt­en. Zur Strafe für fehlende Utensilien sechseinha­lb Kilometer Extra-Marsch, teils im Laufschrit­t und unterbroch­en von Liegestütz­en – das klingt mehr nach unverhältn­ismäßigem Schleifen als nach plausibler Ausbildung. Auch hierfür müssen die Leitplanke­n überprüft werden. BERICHT

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