Neue Skandale bei der Bundeswehr
Der Fall der kollabierten Soldaten weitet sich aus, und es gibt einen NS-Verdacht.
BERLIN Interne Recherchen der Bundeswehr werfen ein neues Licht auf die Märsche vom 19. Juli im niedersächsischen Munster, bei denen mehrere Offiziersanwärter (OA) kollabierten. Einer der Männer starb, ein weiterer liegt immer noch im kritischen Zustand im Krankenhaus. Jetzt ergaben die Nachforschungen, dass damals neben dem im Dienstplan vorgesehenen Eingewöhnungsmarsch zwei weitere Märsche mit Strafcharakter angesetzt waren. „Die betroffenen OA legten dabei eine Strecke von insgesamt sechseinhalb Kilometern, streckenweise im Laufschritt zurück“, heißt es in einer unserer Redaktion vorliegenden Unterrichtung des Mi- nisteriums für die Obleute des Verteidigungsausschusses. Einige der Soldaten hätten beim Rückmarsch zum Ausbildungsort „ergänzend Liegestütze absolvieren“müssen. Auch die Anzahl der von Gesundheitsproblemen betroffenen Soldaten ist größer als bisher bekannt. Nach neuen Erkenntnissen traten bei elf Soldaten und Soldatinnen Beschwerden auf.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt nun gegen Unbekannt sowohl wegen fahrlässiger Tötung als auch wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das Ergebnis einer Obduktion soll laut Staatsanwaltschaft aber auf ein „Multiorganversagen“hinauslaufen. Folgeuntersuchungen seien nötig, um die Ursache herauszufinden. Auch ein zwölfköpfi- ges Team „Untersuchungsgruppe Munster“und eine interdisziplinäre medizinische Arbeitsgruppe bemühen sich um Aufklärung.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Tübingen Ermittlungen wegen angeblicher rechtsextremistischer Handlungen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr einleitet. Auslöser sind entsprechende Medienberichte. Auch die Bundeswehr führt interne Ermittlungen durch. Bei der Abschiedsfeier für einen Kompaniechef der KSK am 27. April soll unter anderem ein Schweinskopfwerfen veranstaltet worden sein. Außerdem sollen mehrere Soldaten den Hitlergruß gezeigt sowie Rechtsrock gehört haben.
Gerade hat Ursula von der Leyen damit begonnen, neue Leitplanken für den Umgang der Bundeswehr mit der Traditionspflege zu geben, um „Maßstäbe für das eigene Handeln“zu haben, da stehen diese Maßstäbe auch außerhalb der Tradition in Frage. Wer Wettkämpfe mit Tierschädeln veranstaltet und für den Sieger Sex mit einer dafür gebuchten Frau auslobt, hat die Spielregeln nicht verstanden. Und wer dazu noch rechtsextremistische Musik hört, ist dabei, seinen Eid auf die Demokratie zu brechen. Sollten KSKSoldaten den Hitlergruß gezeigt haben, hätte die Elitetruppe mehr als bloß ein „Haltungsproblem“.
Kompliziert scheinen die Umstände bei den Marschopfern von Munster. Multiorganversagen als Obduktionsergebnis bei dem verstorbenen Soldaten hat noch nicht geklärt, wie es dazu kommen konnte. Dass aber gleich elf Soldaten Schaden nahmen, richtet den Blick von deren Konstitution und Verhalten auf ihre Vorgesetzten. Zur Strafe für fehlende Utensilien sechseinhalb Kilometer Extra-Marsch, teils im Laufschritt und unterbrochen von Liegestützen – das klingt mehr nach unverhältnismäßigem Schleifen als nach plausibler Ausbildung. Auch hierfür müssen die Leitplanken überprüft werden. BERICHT