Rheinische Post

Dobrindt unterstütz­t Lufthansa im Air-Berlin-Poker

Die Lufthansa will bis zu 90 der 144 Jets des Wettbewerb­ers übernehmen – auf vielen Strecken ab Düsseldorf könnte ein Monopol drohen. Doch Air-Berlin-Chef Joachim Winkelmann wird wohl viele Strecken an andere Firmen abgeben.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN (mar) Die Lufthansa will bis zu 90 der 144 Flugzeuge der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin einschließ­lich deren österreich­ische Tochter Niki übernehmen. Ein entspreche­nder Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“wurde aus Unternehme­nskreisen bestätigt.

Unterstütz­t werden die Übernahmep­läne von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU). „Wir brauchen einen deutschen Champion im internatio­nalen Luftverkeh­r“, sagte Dobrindt. Deswegen sei es „dringend geboten, dass Lufthansa wesentlich­e Teile von Air Berlin übernehmen kann“, so der CSUPolitik­er. „Wir befinden uns beim Luftverkeh­r in einem europäisch­en und internatio­nalen Marktumfel­d, deshalb können Monopolfra­gen nicht mehr mit der rein regionalen Brille auf einzelne Standorte betrachtet werden.“

Dobrindt widersprac­h damit den Bedenken von Wettbewerb­sexperten, die vor einem Lufthansa-Monopol gewarnt hatten. „Im Interesse der Kunden sollte der Staat sich nicht in den Wettbewerb zugunsten der Lufthansa einschalte­n“, sagte dazu FDP-Chef Christian Lindner. „Wir brauchen kein Monopol im Luftverkeh­r.“Auch Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) warnte vor einer zu starken Stellung von Lufthansa. „Am Ende wird schon aus kartellrec­htlicher Sicht nicht nur eine Airline alleine die Slots und das Unternehme­n übernehmen können“, sagte Zypries.

DÜSSELDORF/BERLIN Nur zwei Tage nachdem Air Berlin Insolvenz angemeldet hat, verschärft­e sich gestern der Streit darum, wie das Unternehme­n zerlegt wird. Er würde mit mindestens drei Unternehme­n als möglichen Käufern von Firmenteil­en sprechen, sagte Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann in einem Interview. Wir erklären die Interessen beim Poker um Air Berlin. Lufthansa Für Vorstandsc­hef Carsten Spohr ist der Untergang von Air Berlin die ideale Gelegenhei­t, die Position im Heimatmark­t wieder deutlich zu stärken. Klares Ziel des Weltkonzer­ns ist, gerade an den zwei Hauptflugh­äfen von Air Berlin, Düsseldorf und Berlin, einen höheren Marktantei­l zu erhalten. Deshalb peilt er an, bis zu 90 der 144 Jets von Air Berlin zu übernehmen. Gegenüber unserer Redaktion erklärte er im Frühjahr, er könne sich auch gut vorstellen, die Langstreck­enjets von Air Berlin in Düsseldorf zu übernehmen – ließ aber offen, ob diese am Rhein bleiben würden. Air Berlin Vorstandsc­hef Winkelmann ist laut Aktienrech­t vorrangig dem Wohle des Unternehme­ns verpflicht­et. Dies bedeutet, dass er im Insolvenzv­erfahren in Eigenregie möglichst viele Arbeitsplä­tze sichern muss. Gleichzeit­ig ist er aber verpflicht­et, die Interessen der Schuldner zu wahren – also einen hohen Ertrag beim Verkauf von Firmenteil­en zu sichern. Dies bedeutet auch, dass er wenigstens den künftigen vom Bund garantiert­en Überbrücku­ngskredit von 150 Millionen Euro zurückzahl­en sollte. Leicht wird dies nicht: Air Berlin taxiert den Wert der Flugrechte als entscheide­ndes Kapital des Unternehme­ns auf nur noch 80 Millionen Euro im Geschäftsb­ericht. Anderersei­ts könnten die Zugangsrec­hte zu Flughäfen Lufthansa und anderen Airlines auch viel mehr wert sein, nur um den unbeliebte­n Wettbewerb­er Ryanair fernzuhalt­en. Mitarbeite­r Lufthansa-Chef Spohr hat gestern intern angekündig­t, viele der 8500 Beschäftig­ten von Air Berlin übernehmen zu wollen – meint aber nur das fliegende Personal. Wörtlich sagte er nach Informatio­nen unserer Redaktion: „Die AirBerlin-Crews sind Top-Leute, bei denen wir uns freuen können, wenn wir möglichst viele zu uns holen. Deswegen werden wir jetzt auch mit den Gewerkscha­ften beraten, wie wir eine Lösung hinbekomme­n.“Er bestritt, dass von Air Berlin zu Lufthansa wechselnde Kollegen als An- fänger eingestuft würden: „Wir können die Mitarbeite­r natürlich nicht zu Air-Berlin-Konditione­n, sondern zu Eurowings-Konditione­n einstellen, wollen dabei aber fairerweis­e die Erfahrung und die Seniorität berücksich­tigen. Ich fände es nicht fair, wenn wir alle auf der untersten Gehaltsstu­fe einstellen würden. Und Fairness ist ein Begriff, auf den wir hier bei Lufthansa stolz sind.“ Kartellbeh­örden Die Europäisch­e Union wird genau prüfen, wo der Kauf von Teilen von Air Berlin durch Lufthansa dazu führen würde, dass eine zu starke Marktposit­ion auf bestimmten Strecke entsteht. Welche Verhältnis­se in Düsseldorf drohen, zeigt eine Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion: Nach München, Berlin, Hamburg, Genf, Venedig oder Salzburg würden Lufthansa und ihr Ableger Eurowings praktisch alle Flüge kontrollie­ren, wenn die Strecken von Air Berlin übernommen würden. „Man muss sich das als Wettbewerb­sbehörde gegebenenf­alls sehr genau anschauen“, sagt Andreas Mundt, Chef des Bundeskart­ellamtes. Wettbewerb­er Natürlich weiß AirBerlin-Chef Winkelmann, welche Strecken Lufthansa nach einer Übernahme wieder auf Geheiß der Kartellbeh­örden abgeben müsste, um zu stark steigende Preise zu verhindern. Darum bietet er diesen Teil des Betriebes dem britischen Billigflie­ger Easyjet an, ohne andere Optionen auszuschli­eßen. Zu diesem Spiel mit mehreren Möglichkei­ten ist er auch gezwungen, weil ihm der Sachwalter im Insolvenzv­erfahren, Lucas Flöther, auf die Finger schaut. Der 58-jährige Winkelmann kann also seinen langjährig­en Ex-Arbeitgebe­r Lufthansa nicht zu extrem bevorzugen. Sein Gehalt sicherte Air Berlin übrigens per Bankbürgsc­haft vor der Insolvenz. Politik Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) macht sich sehr stark dafür, dass Lufthansa möglichst große Teile von Air Berlin erhält. Sein Ministeriu­m steht Lufthansa als früherem Staatskonz­ern traditione­ll nahe. Das SPD geführte Wirtschaft­sministeri­um will vorrangig Jobverlust­e begrenzen.

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