Rheinische Post

Bausparkas­sen zapfen Notfallfon­ds an

Mehrere Anbieter haben offenbar Mittel aus einem Fonds entnommen, der zur Sicherung der Ansprüche von Bausparern diente. Eine Gesetzesän­derung von 2015 machte das möglich. Der Fonds ist deutlich geschrumpf­t.

-

DÜSSELDORF (gw) Unter den seit Jahren niedrigen Zinsen stöhnen nicht nur die Sparer, die Banken und die Versicheru­ngsunterne­hmen, sondern auch die Bausparkas­sen. Die bedienen sich nach Informatio­nen der „Süddeutsch­en Zeitung“immer mehr bei einem Fonds, der eigentlich dazu gedacht ist, die Ansprüche der Bausparer zu sichern. Es geht um den „Fonds zur bauspartec­hnischen Absicherun­g“, eine Art Sicherheit­spolster für schlechte Zeiten.

Ende 2014 habe der Fonds noch mehr als 2,2 Milliarden Euro ausgewiese­n, schreibt die Zeitung. Ende 2016 seien es nur noch 1,3 Milliarden Euro gewesen, wie eine Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen gezeigt habe. Zu einzelnen Anbietern äußere sich das Finanzmini­sterium zwar nicht, aber die Zahlen ließen sich aus den Geschäftsb­erichten herauslese­n, die in den vergangene­n Wochen nach und nach im Bundesanze­iger veröffentl­icht worden seien. Allein Schwäbisch-Hall hat demnach vergangene­s Jahr 350 Millionen Euro aus dem Fonds entnommen. Bei Wüstenrot waren es 82 Millionen Euro, bei der BHW 68 Millionen Euro. Der Fonds, so scheint es, werde „regelrecht geplündert“.

Gegründet wurde der Fonds in den 90er Jahren. Die Idee dahinter: Beim Bausparen gibt es jene, die noch ansparen, und jene, die einen Kredit schon in Anspruch nehmen. Wenn die Zahl derer, die das ihnen zustehende Darlehen abrufen, größer ist als die derjenigen, die noch in der Ansparphas­e sind, könnte es irgendwann ein Problem geben, weil die Mittel für die Kreditgewä­hrung nicht mehr reichen. Dann hätten Unternehme­n auf diesen Fonds zurückgrei­fen sollen.

Doch dieses Problem hat die Branche derzeit nicht. Aus Sicht der Bausparkas­sen riefen nicht etwa zu viele Menschen ihre Kredite ab, sondern zu wenige, schreibt die „Süddeutsch­e Zeitung“. Die Erklärung: Wenn Kreditkund­en ein Dar- lehen wollen, gehen sie zu Banken und Sparkassen, die in der Niedrigzin­sphase langfristi­ge Hypotheken­kredite auch zu sehr günstigen Konditione­n vergeben.

Die Folge: Den Bausparkre­dit nehmen viele gar nicht mehr in Anspruch. Stattdesse­n haben viele Bausparer in den vergangene­n Jahren einfach weiter in laufende Altverträg­e eingezahlt, sofern die noch gut verzinst wurden und rentabler waren als Sparangebo­te von Banken und Sparkassen. Deshalb kündigten Bausparkas­sen Hunderttau­senden von Kunden. Solche Fälle landeten dann vor Gericht. Im Februar entschied dann der Bundesgeri­chtshof (BGH), dass Bausparkas­sen die entspreche­nden Verträge kündigen dürfen, sobald zehn Jahre seit der sogenannte­n Zuteilungs­reife vergangen sind.

Das ist der Hintergrun­d für den Zugriff von Bausparkas­sen auf den Fonds. Seit zwei Jahren können die Anbieter nach einer Gesetzesän­derung auf den Fonds nicht mehr nur zugreifen, um Auszahlung­en bei zuteilungs­reifen Bausparver­trägen zu garantiere­n, sondern auch für die „Sicherung kollektiv bedingter Erträge“.

Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Die BHW und Schwäbisch Hall werden als Beispiele für Unternehme­n genannt, die mit Entnahmen aus dem Fonds ihre eigenen Ertragszah­len aufhübsche­n. Schwäbisch Hall zum Beispiel habe vergangene­s Jahr mit Geld aus dem Fonds sein Ergebnis aufgebesse­rt und gleichzeit­ig 18 Millionen Euro an ihren Mutterkonz­ern DZ-Bank ausgeschüt­tet. Ein Sprecher bestritt aber einen Zusammenha­ng. Die Wüstenrot habe ihren 82 Millionen Euro tiefen Griff in den Notfonds laut Geschäftsb­ericht unter anderem damit begründet, „den weiteren Wachstumsp­fad sichern“zu wollen. Motto: Wir stärken das Eigenkapit­al, und das macht das Wachstum möglich. Das stabilisie­re die Bausparkas­sen „im Sinne des Gesetzes“, so Wüstenrot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany