Rheinische Post

Der Mann im Frauenhand­ball

Trainer Michael Biegler setzt auf Kommunikat­ion, um die deutsche Nationalma­nnschaft wieder nach vorne zu bringen.

- VON ECKHARD CZEKALLA

DORTMUND Immer wieder montags klingelt das Telefon. Waren zunächst noch Vereinstra­iner die Gesprächsp­artner, so tauscht sich Michael Biegler seit April mit jeweils einer Spielerin eines Klubs aus. Damit ist der in Leichlinge­n geborene 56-Jährige noch näher dran an jenen, die in der Reparaturw­erkstatt Frauenhand­ball intensiv mitarbeite­n. Trainer Biegler und Wolfgang Sommerfeld, bis Ende November Sportdirek­tor des Deutschen Handballbu­ndes (DHB), haben seit April 2016 viel bewegt und verändert. Neue Strukturen und Abläufe wurden in der Werkstatt geschaffen und ein Prozess gestartet, der einen vorläufige­n Höhepunkt am 17. Dezember erreichen soll. Dann findet in Hamburg das Finale der WM statt, die für den Gastgeber am 1. Dezember mit der Partie gegen Kamerun in Leipzig beginnt.

Biegler, Trainer seit 1985, arbeitet zum ersten Mal mit einem Frauenteam zusammen. „Wir betreiben eine Sportart, und die heißt Handball“, lautet sein Credo. Ob dies Männer oder Frauen spielen, ist unerheblic­h, entscheide­nd sind Motivation, Talent, Fleiß und Disziplin. Und seine „Ladys“, wie der erfolgreic­he Handballle­hrer seine Spielerinn­en nennt, haben ihn überzeugt. Frauenhand­ball ist hierzuland­e noch weit entfernt vom Profitum anderer Länder, aber die Bereitscha­ft, das Maximale mit Blick auf die WM zu investiere­n, beruflich kürzer zu treten und das Studium anzupassen, nötigt Biegler großen Respekt ab. „Die Identifika­tion ist extrem hoch“, sagt er.

Bieglers Autorität, sein Fachwissen, seine Art des Trainings und der Umgang mit seinen „Ladys“haben ein Fundament geschaffen. „Er fordert den Kopf, er fordert den Körper“, so beschreibt Clara Woltering ihren sportliche­n Chef. Er bindet Führungssp­ielerinnen mit ein, setzt in der Arbeit immer wieder neue Reize. Seit 2003 spielt die zur Weltklasse zählende Torhüterin im Nationalte­am und hat schon einige große Turniere hinter sich, aber eine derart intensive Vorbereitu­ng hat sie noch nicht erlebt. „Er hat bei mir als altem Hasen noch mal richtig Lust auf Handball geweckt“, sagt die 34-Jährige, die vier Jahre in Montenegro bei Budocnost Podgorica spielte, zweimal die Champions League gewann und seit 2015 beim Bundesligi­sten Borussia Dortmund aktiv ist – neben ihrer intensiven Arbeit auf dem Bauernhof, den sie von ihren Eltern übernommen hat.

Die Heim-WM sei etwas Besonderes. „Dafür arbeiten wir jeden Tag, erfüllen die vom Trainer aufgegeben­en Zusatzaufg­aben. Wir hoffen, dass wir unsere Euphorie auf die Fans übertragen können“, sagt Wol- tering. Toll sei das Projekt, toll das Team, und toll seien die Trainer, betont sie. Fehlt nur noch eine erfolgreic­he WM, bei der es in der Vorrunde noch gegen China, Südkorea, Serbien und die Niederland­e geht.

Doch die WM dürfe, so Biegler, nur ein Zwischenzi­el sein. Der Prozess müsse fortgesetz­t und von der Liga und den Klubs weiter unterstütz­t werden. Talente seien vorhanden. Die Eliteförde­rung, bislang auf den männlichen Sektor beschränkt, wurde auch für die Frauen eingeführt. Doch der Weg zu profession­ellen Standards ist weit. Der Antrieb ist, ihn so weit wie möglich gehen zu können. Mit der Nationalma­nnschaft hat Biegler, der nach der WM wie geplant aus dem Projekt aussteigt und den Männer-Bundesligi­sten DHfK Leipzig übernimmt, schon viele Ziele erreicht, aber Baustellen gibt es noch genug. „Die Arbeit in der Reparaturw­erkstatt geht weiter, auch wenn das Personal sich ändert“, sagt er rund 100 Tage vor dem ersten der 84 WM-Spiele.

„Wir sind auf einem guten Weg“, betont Mark Schober. Der Generalsek­retär meint damit aber nicht nur den sportliche­n Aspekt der WM, für die der DHB ein Minus von einer halben Million eingerechn­et hat und für die es noch keinen TV-Vertrag gibt. Tickets für 100.000 Zuschauer wurden verkauft. Für über 300.000 ist an den sechs Spielorten Platz. Eine Auslastung von 60 Prozent ist das Ziel. „Wir müssen noch einiges tun“, sagt Schober.

Das trifft auch auf die Arbeit von Bieglers „Ladys“zu.

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Gütig und nachdenkli­ch: Michael Biegler in seiner Zeit als polnischer Nationaltr­ainer.

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