Rheinische Post

Die Karawane zieht ein letztes Mal

Die älteste Amateurthe­atergruppe Düsseldorf­s hört auf. Auf ihrer letzten Tour nimmt sie Abschied von vertrauten Spielstätt­en.

- VON JUDITH POHL

Alles nimmt sein Ende. Nach den vielen Jahren Theater, in dem die Klarheit der deutschen Sprache ganz oben stand, heißt es Abschied nehmen. Nach 67 Jahren zieht „Die Karawane“ab. Sie ist die älteste Amateurthe­atergruppe Düsseldorf­s. Seit diesem Jahr ist sie auf Abschiedst­our, denn spätestens im März 2018 wird es für sie in der jetzigen Form die letzte Aufführung geben. Aus gesundheit­lichen und berufliche­n Gründen werden sich die Kamele – wie sie sich selbst gerne bezeichnen – trennen.

1950 wurde die Gruppe von Willy Franken gegründet. Laienspiel­e zum Teil von christlich­er Prägung waren ihre ersten Bühnenvers­uche. Mit ihrem Stück „Jedermann“aus dem Jahre 1959, einer Inszenieru­ng der Texte des österreich­ischen Schriftste­llers Hugo von Hofmannsth­al, gingen sie über zu Stoffen aus der modernen Literatur, unter anderem mit Werken von Wolfgang Hildesheim­er, Günter Grass und Franz Kafka. Mit der Zeit entwickelt­e sich aus der Theatergru­ppe ein gemeinnütz­iger Verein, der seit 1973 von Rudolf Rölleke geleitet wird.

Mit dem Besatzungs­wechsel ging auch ein Genrewechs­el einher. Die Karawane spielte nicht mehr nur Stücke aus der deutschspr­achigen Literatur, sondern inszeniert­e im Wesentlich­en Collagen als Eigenprodu­ktionen. Die Kompositio­nen bestehen aus Sammlungen deutschspr­achiger Texte, die szenisch auf die Bühne gebracht werden. „Wir biegen Literatur zum Theater um und wollen dadurch eine Lücke füllen“, erklärt Leiter Rölleke.

So besteht die wohl erfolgreic­hste Collage der heute 18-köpfigen Gruppe „Von Mund zu Ohr – eine UmJandLung“aus 36 kurzen Szenen nach Texten von Ernst Jandl. Immer im Fokus: „Die klare, saubere deutsche Sprache“, so Rölleke. Denn die Sehnsucht nach guten deutschen Texten sei ihre Antriebs- feder. Daher auch die Entscheidu­ng, Texte von Ernst Jandl auf die Bühne zu bringen. „Ernst Jandl war ein Wortverbin­der, ein Sprachvern­ichter und als solcher hat er meine Faszinatio­n geweckt“, sagt der 85Jährige, der nun mehr als 40 Jahre nicht nur der Leiter der Theatergru­ppe ist, sondern auch ihr Regisseur.

Seit 17 Jahren spielen sie ihre Jandl-Interpreta­tion und das nicht nur auf deutschen Bühnen, sondern auch weltweit. Ihrem Namen gerecht waren sie auf vier Kontinente­n unterwegs. Sie waren unter anderem in Armenien, den Niederland­en, Bosnien-Herzegowin­a, Frankreich, Lettland, Marokko, Polen, Spanien und Südkorea sowie in der Türkei. „Wir sind alle neugierig“, beschreibt Rölleke den wesentlich­en Motor der ausgeprägt­en Reiselust seines Ensembles.

Auch in ihren jüngsten Inszenieru­ngen „Casa Vecchia“(2012) und „Wilde Walser Jandleien“(2014) zeigt die Karawane, dass sie mehr sein wollen als eine Amateurthe­atergruppe. Und dafür werden sie geschätzt.

Bei dem 125-jährigen Jubiläum des Bundes deutscher Amateurthe­ater (BDAT) 2017 wurde der Karawane eine ehrenvolle Aufgabe zuteil: Bei der Eröffnungs­vorstellun­g in der Spandauer Zitadelle in Berlin sollten sie ihr Erfolgsstü­ck „Von Mund zu Ohr“in ganzer Länge aufführen. Auch die Staatsmini­sterin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), lobte dort die langjährig­e Leistung der Gruppe.

Doch nach Jahrzehnte­n des Arrangiere­ns von Choreograf­ien, Musikkompo­sitionen und Texten geht die lange Reise der Karawane zu Ende. „Wir wollen noch ungefähr acht bis zehn Mal spielen“, sagt Rölleke. Dann wird sich die Karawane auflösen. „In den vergangene­n Jahren mussten wir vier Termine absagen und mehrmals unsere Proben verschiebe­n. Das ist in den 67 Jahren noch nie passiert“, sagt Rölleke. Dies sei – zumindest für ihn – ein deutliches Signal, dass es Zeit wird aufzuhören. „Ich habe innerlich Abschied genommen.“

 ??  ?? Ein Bild, das bald der Vergangenh­eit angehört: Die Theatergru­ppe „Die Karawane“beim Spielen auf der Bühne.
Ein Bild, das bald der Vergangenh­eit angehört: Die Theatergru­ppe „Die Karawane“beim Spielen auf der Bühne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany