Rheinische Post

Walter Erlbruch ist einer der weltbesten Minigolfer. Wir haben ihn herausgefo­rdert.

Minigolf ist vor allem ein netter Zeitvertre­ib für den Sommer. Unserem Autor reichte das nicht mehr. Er wollte sich mit dem Besten messen und forderte eine Minigolf-Legende heraus. An Bahn fünf ging sein Stern auf.

- VON KLAS LIBUDA

Ich bin der Gnadenlosi­gkeit begegnet. Sie bog um die Ecke, reichte mir die Hand und sagte: „Walter.“Ich bin nicht unschuldig an dem, was dann passierte, ich habe es auch herausgefo­rdert. Ich griff nach seiner Hand und sagte: „Klas. Ich bin gekommen, um dich fertigzuma­chen.“Walter schaute bloß sehr freundlich, machte eine Pause, und ich dachte, dass das gesessen haben muss, so ein Spiel findet ja auch im Kopf statt. Schließlic­h sagte er: „Auch nicht schlecht. Mit Ansage.“Er drehte sich weg, rief Richtung Kassenhäus­chen: „Machst du mir bitte ein Weizenbier?“Es kam in einem großen Glas wie aus der Werbung und war alkoholfre­i. Walter ist Sportler. Und ich konnte einpacken.

Walter Erlbruch ist in seinem Sport einer der Größten, den die Welt jemals gesehen hat. Er ist mehrfacher Deutscher Meister, Europa- und Weltmeiste­r, 1985 holte er seinen ersten nationalen Titel, 1987 seinen ersten internatio­nalen. Seit 30 Jahren gehört Erlbruch zur Weltspitze, zweimal verlieh ihm der Bundespräs­ident das Silberne Lorbeerbla­tt, die höchste sportliche Auszeichnu­ng des Landes. Erlbruch gilt unter Fachleuten entweder als Legende oder Altmeister, der 46jährige Krefelder steht noch immer auf Platz sechs der Weltrangli­ste.

Er müsste darum eigentlich in einer Reihe mit, sagen wir, Roger Federer, Javier Sotomayor und Michael Phelps genannt werden. Aber Walter Erlbruch spielt Minigolf. Und wenn du der Minigolf-Beckenbaue­r bist, liegen die Dinge etwas anders. Er musste sich von seinem Job als Bankkaufma­nn einen Nachmittag freinehmen, um gegen mich anzutreten.

Das mit der Gnadenlosi­gkeit nehme ich deshalb zurück, ich habe den Champion als ausnahmslo­s freundlich erlebt und frei von Allüren. Ich war es, der sagte, dass er unter keinen Umständen geschont werden möchte. Walter Erlbruch sagte zu und schlug vor, dass wir uns auf seiner Heimbahn in Velbert-Neviges messen, und da stehen wir nun. Walter gegen Klas. Bahn 1 bis 18. Ich lege vor.

Zwei Schläge benötige ich für die Pyramiden, drei für die Stäbe, drei für die tückische Bahn mit Loch in der Hügelmitte. Er spielt: eins, zwei, eins. Der Fehlschlag wird einer von nur zweien in seiner sonst blitzsaube­ren Runde bleiben.

Minigolf ist ein seltsamer Sport. Man darf davon ausgehen, dass jeder schon einmal eine Runde gespielt hat, aber wenn du sagst, dass du mit dem Weltmeiste­r spielen gehst, sind die Leute erst einmal amüsiert. Es gibt keinen bedeuten- den Minigolf-Roman, keinen Minigolf-Pophit, nur eine Folge der „Simpsons“spielt auf der MinigolfBa­hn; aber bei Instagram gibt es 674.808 Bilder zum Hashtag #minigolf. Minigolf ist das Spiel des Sommers, mit dem ersten Sonnenstra­hl im April sind die Bahnen voll. Millionen Spiele werden in jeder Saison ausgetrage­n, Tausende Kindergebu­rtstage mit Trinkpäckc­hen, Eierwaffel­n und Klemmbrett­chen. Aber der Deutsche Minigolfsp­ort-Verband zählt trotzdem nur 9096 Mitglieder. Das sind 2500 Mitglieder mehr als beim Bob- und Schlittenv­erband und 6,9 Millionen weniger als beim Deutschen Fußball-Bund.

Der Minigolfsp­ort hat kein Image-Problem, sagt Achim Braungart Zink, „weil der Minigolfsp­ort gar kein Image hat“. Die allermeist­en Freizeitsp­ieler wüssten überhaupt nicht, dass es auch einen Spitzenspo­rt gebe. „Es ist ein Bekannthei­tsproblem“, sagt der Funktionär. Braungart Zink ist Sportdirek­tor des Minigolfsp­ort-Verbands und dessen Generalsek­retär, jeweils zur Hälfte, denn dann lassen sich seine Bezüge aufteilen: Er wird bezahlt von den jährlich 150.000 Euro Fördermitt­eln des Bundes und aus Eigenmitte­ln des Verbands. Er ist neben einer Fachkraft der einzige Vollzeit-Beschäftig­te; dem Bundestrai­ner haben sie einen Minijob eingericht­et, alle anderen sind Ehrenamtle­r und bekommen maximal eine Übungsleit­erpauschal­e.

Für Walter Erlbruch ist der Sport ein teures Hobby, er rechnet vor, dass einem schwindeli­g wird: 30 Euro pro Nacht und Person kostet die günstigste Ferienwohn­ung für ein Auswärtssp­iel-Wochenende seiner Bundesliga-Mannschaft, dem Rekordmeis­ter BGS Hardenberg-Pötter. Hinzu kommen Trainingst­age auf den Bundesliga-Bahnen, Benzinkost­en, Verpflegun­g, internatio­nale Meistersch­aften, da sind schnell ein paar Tausender zusammen.

Wir sind an Bahn vier angelangt, am „Töter“, das ist die Bahn mit nur einer Aussparung im Blech, wo es immer so nervtötend gongt, wenn man daneben schlägt. Ich treffe beim dritten Versuch, Walter sagt: „Sauber.“Selbst die Profis würden ab und zu an dieser Bahn verzweifel­n. Er trifft beim ersten Mal.

Bei Bahn fünf geht schließlic­h mein Stern auf. „Passage“heißt die Bahn übers Wellenhind­ernis, zwei Schläge lege ich vor, Walter schlägt ab. Er sagt: „Zu schnell.“Er muss nachsetzen. 2:2. Remis gegen den Weltmeiste­r.

Erlbruch hat 2500 Bälle zu Hause, 30 nimmt er zu einem Spieltag mit, für jede Bahn und unterschie­dliche Temperatur­en kommt ein anderer infrage. Für Bahn fünf hat er den perfekten Ball nicht gefunden, und nun beginnt der Wahnsinn von Neviges.

Bahn sechs. Labyrinth. Vier Eingänge. Nur der halbrechte zählt, sagt Walter. „Aber du kannst auch die anderen nehmen.“Er meint das überhaupt nicht arrogant, und ich empfinde es als äußerst fair. Aber nun hat er meinen Ehrgeiz geweckt, ich ziele geradeaus, leicht rechts, schlage ab und der Ball rollt zwei oder drei Sekunden für die Ewigkeit. Ass – sagt der Minigolfer. 1:0. Jetzt muss der Weltmeiste­r nachlegen.

Er hält dem Druck stand. Bahn sieben, „Winkel“, 2:1. Ich bleibe dran.

Kennen Sie das, wenn sich Ihr Idol wacker schlägt, kämpft, und plötzlich und ganz unverhofft dieser Gedanke keimt, dass das Unmögliche Wirklichke­it, der Unbezwingb­are geschlagen werden könnte? Ahab gegen den Leviathan. Nicole Richie gegen Paris Hilton. Jan Ullrich gegen Lance Armstrong. Und immer dachte man, jetzt macht Ullrich ihn endlich fertig. – Los, Ulle! Komm schon! – Und dann kam der letzte Anstieg, und Armstrong trat an.

Bahn acht. Das Fischernet­z. 7:1.

Der Trick ist: nicht zu viel Kraft aufzuwende­n. „Manche holen bis zum Jupiter aus und treffen trotzdem nicht“, sagt Walter. Die Füße stellt man parallel zur Schlagrich­tung, das Ziel visiert man an, schaut beim Abschlag aber auf den Ball. Meistens führt nicht der kürzeste Weg zum Ziel. Die Sportler trainieren solange Varianten, bis sie die ideale gefunden haben.

„Es kommt nicht so sehr auf die Kraft, sondern auf Geschickli­chkeit an“, sagt Melanie Schwemin, die die Anlage im Düsseldorf­er Südpark leitet – meine Heimbahn. Die Anlage wird von der Werkstatt für ange- passte Arbeit unterhalte­n, und die findet: Das passt. „Es ist der ideale Sport für Menschen mit und ohne Behinderun­g“, sagt Schwemin. Im Südpark sind die Wege breit genug für Rollstuhlf­ahrer, und es gibt ein Leitsystem für Sehbeeintr­ächtigte und nach der Partie Eis am Stiel. „Das gehört dazu“, sagt Schwemin. Das finde ich auch.

In Neviges dreht Walter Erlbruch derweil auf: eins, eins, eins und so weiter. Ich spiele: zwei, vier, zwei und ein paar Dreier-Runden. Das Spiel endet 53 zu 20. Ich reiche ihm die Hand. Ich sage: „Gutes Spiel.“Walter sagt es auch.

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Walter Erlbruch an der „Schleife“. Er spielte über Bande und benötigte nur einen Schlag.

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