Rheinische Post

Der Regierungs-Check

Vier Jahre liegen hinter der großen Koalition und dem Kabinett Merkel III. Wie haben sich die Akteure geschlagen? Die Einzelkrit­ik.

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Sie wollte Deutschlan­d digital zukunftsfe­st machen. Wichtiger als ihre Pläne wurden die Herausford­erungen Flüchtling­sdynamik, Terrorwell­e, Russland-Aggression, Brexit und Populisten an der Macht, allen voran Donald Trump. Die Kanzlerin der flexiblen Anpassung handelte in der Flüchtling­skrise entschiede­n – auch gegen wachsenden Widerstand. Sie blieb dabei, den Zustrom mithilfe europäisch­er und internatio­naler Partnerlän­der lösen zu wollen. Deutschlan­d ist durch Merkels Flüchtling­spolitik einsam in Europa geworden. Trotz ihres Einflusses bekommt sie die Partner nicht auf ihre Linie. Auch eine Obergrenze­n-Verständig­ung mit der CSU fehlt. Die AfD etablierte sich gegen Merkel.

Erst im Januar wechselte der Vizekanzle­r ins Amt des Außenminis­ters, wo er Frank-Walter Steinmeier ablöste. Er wollte vor allem „dessen Erbe eines Deutschlan­ds als Stabilität­sanker erhalten“, Europa und die Beziehunge­n zu den USA stärken. Sein direkteres Auftreten ohne diplomatis­che Zurückhalt­ung führte zu Auseinande­rsetzungen mit Israel, den USA und der Türkei. Hier zeigte er klare Kante und dem Erdogan-Regime mit einer neuen Türkei-Politik Grenzen auf. Er reiste eigens noch einmal nach Ankara, als die Türkei den Besuch von Bundestags­abgeordnet­en bei der Bundeswehr in Incirlik verhindern wollte. Sein Versuch, dies doch noch durchzuset­zen, scheiterte. Nun zieht die Truppe ab.

Die frühere Justizmini­sterin übernahm den Job Anfang des Jahres von ihrem Parteikoll­egen Gabriel. Zuvor hatte sie sich im Wirtschaft­sministeri­um als Staatssekr­etärin in der Wirtschaft­spolitik kundig gemacht. Wenn sie Gestaltung­smacht hätte, dann in der Energiepol­itik. Doch hier war bei ihrem Start das Meiste schon getan. Ihre Rolle beschränkt sich auf Öffentlich­keitsarbei­t. Im Dieselskan­dal und bei Air Berlin füllt sie die Rolle gut aus. Zypries hat keine Karrieream­bitionen mehr: Sie scheidet nach der Wahl aus. Weil Gabriel den Vizekanzle­rposten mitnahm, verlor ihr Haus Einfluss. Bei Auslandsre­isen bekam sie keinen Regierungs­flieger, ihr US-Kollege sagte seinen Berlin-Besuch ab.

Der Sachse brauchte ein wenig, um wieder im alten Amt anzukommen, er wäre viel lieber Verteidigu­ngsministe­r geblieben. Terror, Flüchtling­e und Integratio­n forderten jedoch schnell eine ordnende Hand des erfahrenen Organisato­rs. Unaufgereg­t erreichte er eine Gesetzesve­rschärfung nach der anderen. Nach jedem Anschlag griff er in die Schublade und bekam wieder mehr vom Koalitions­partner. Zurückhalt­enderes Handeln in der Flüchtling­skrise stoppte die Kanzlerin. Mit seiner Erklärung zur Geheimhalt­ung („Das würde die Bevölkerun­g verunsiche­rn“) verunsiche­rte er erst recht. Dass ihm Peter Altmaier als Flüchtling­skoordinat­or vor die Nase gesetzt wurde, galt als Degradieru­ng.

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