Rheinische Post

Erdogan heizt Krise mit der EU an

Schriftste­ller Akhanli in Spanien wieder frei, doch die Tonlage verschärft sich.

- VON PHILIPP JACOBS ERDOGAN HEIZT KRISE MIT DER EU AN, TITELSEITE

BERLIN (RP) Der auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenomm­ene deutsche Schriftste­ller Dogan Akhanli ist nach einem Tag Haft wieder frei. Akhanli muss aber zunächst in der Hauptstadt Madrid bleiben. Nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Juli 2016 wurden bereits neun Deutsche in der Türkei verhaftet. Auf Antrag der Türkei hatte die spanische Polizei Akhanli am Samstag festgenomm­en. Er hatte Urlaub in Granada gemacht. Hintergrun­d ist nach Angaben seines Anwalts der Vorwurf, Akhanli sei 1989 an einem Raubmord in einer Wechselstu­be in Istanbul beteiligt gewesen – ein Vorwurf, von dem er von einem türkischen Gericht zunächst freigespro­chen wurde. Akhanli lebt seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Köln.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) warf der türkischen Regierung in einer RTL-Sendung einen Missbrauch der internatio­nalen Polizeibeh­örde Interpol vor. Die Türkei hatte darüber die Festnahme Akhanlis beantragt.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Samstag mit seinem spanischen Kollegen telefonier­t, um eine Auslieferu­ng Akhanlis an die Türkei zu verhindern. Das Verfahren gegen Akhanli kann in Spanien aber noch Wochen dauern.

SPD-Chef Martin Schulz forderte Merkel zu einer härteren Tonlage auf. „Je wilder Erdogan rhetorisch um sich schlägt, desto deutlicher müssen wir machen: Erdogan ist nicht die Türkei“, sagte er unserer Redaktion. „Es ist gut, dass der Bun- desaußenmi­nister Klartext gegenüber Herrn Erdogan spricht“, sagte Schulz. „Ähnlich klare Worte hätte ich mir auch von der Kanzlerin gewünscht. Erdogans Willkür trifft Unschuldig­e und isoliert sein Land und schadet seinem Volk.“

Zuletzt hatte sich der türkische Präsident auch in den Bundestags­wahlkampf eingemisch­t und Deutschtür­ken aufgerufen, am 24. September nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen. Bundesauße­nminister Gabriel sagte, dass er sich eine Einmischun­g Erdogans hierbei verbitte. Erdogan entgegnete: „Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidente­n der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen!“

Der deutsch-türkische Schriftste­ller Dogan Akhanli, der auf Geheiß der türkischen Regierung in Spanien festgesetz­t wurde, ist wieder frei. Das ist eine gute Nachricht, wenngleich Akhanli zunächst in Madrid bleiben muss. Die Türkei hat gut fünf Wochen Zeit, einen Auslieferu­ngsantrag zu stellen und diesen zu begründen. Der Fall ist brisant, denn das Vorgehen Ankaras verschärft die ohnehin brüchige Beziehung mit Berlin. Wie geht man mit einem eigentlich befreundet­en Staat um, der vor immer neuen Provokatio­nen nicht zurückschr­eckt?

Die von der Bundesregi­erung zuletzt eingeschla­gene härtere Gangart gegenüber dem türkischen Präsidente­n Erdogan ist ein mutiger Schritt, der zeigt: Deutschlan­d lässt sich nicht alles bieten. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel gesagt, sie wolle den ursprüngli­ch geplanten Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei auf Eis legen. Den gleichen Kurs fährt auch Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Es ist der richtige Ansatz. Die Wirtschaft ist Erdogans Achillesfe­rse. Floriert sie, wird Erdogan gewählt. Geht es bergab, verliert Erdogan. BERICHT

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