Lob des Establishments
ANALYSE Der Aufstieg der Populisten und Autokraten fordert die Eliten der westlichen Demokratien elementar heraus. Doch die sind oft stabiler und besser als ihr Ruf – solange sie sich nicht abschotten.
DÜSSELDORF Es mag politisch unklug sein, aber es kam aus tiefstem Herzen: „Ich wünsche mir einen Präsidenten Obama zurück“, sagte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im „Politischen Salon“der „Ostsee-Zeitung“, als sie auf den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump angesprochen wurde. Mit ihm fühlt sich die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht nicht nur politisch verbunden. Beide haben akademische Eltern, gute Universitäten besucht und gehören der gesellschaftlichen Elite ihres jeweiligen Landes an.
Der Wahlsieg Donald Trumps, der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union, die anti-demokratischen Umtriebe der Osteuropäer Jaroslaw Kaczynski und Viktor Orbán sowie der Aufstieg rechtspopulistischer Gruppen in fast allen westlichen Demokratien haben das Selbstverständnis dieser Elite massiv gestört. Als abgehoben und selbstgefällig geißeln etwa die deutschen AfD-Politiker die Vertreter der „Altparteien“, wie sie das politische Establishment der Bundesrepublik gerne nennen. Von „denen da oben“spricht die französische Front-National-Vorfrau Marine LePen, und Trump erinnert in seinen Reden an die „vergessenen Frauen und Männer“im amerikanischen Rostgürtel, dem früheren Industriezentrum der USA, das seine Gegenkandidatin Hilary Clinton, der Inbegriff der verhassten US-Eliten, im Wahlkampf so vernachlässigt hatte.
Doch haben diese Eliten, von Sydney über Boston bis Stockholm, Berlin, München oder Mailand, wirklich alles so schlecht gemacht? Sind die führenden Politiker, Konzernchefs, Firmeneigentümer, Spitzenrichter, Verwaltungspräsidenten, Wissenschaftsmanager und Top-Künstler wirklich so abgehoben und volksverachtend geworden, wie es ihnen die neuen Populisten vor- werfen? Die Ruppigkeit in Sprache und Umgang, die Rücksichtslosigkeit bei der Verfolgung der eigenen Interessen, das Nein zum Kompromiss – all das kam doch eigentlich erst, als Figuren wie Trump, Orbán oder Boris Johnson führende Positionen in demokratischen Ländern, auf politischen Bühnen eingenommen haben.
Der Vorwurf der Populisten, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten würden in einem abgeschotteten System vor allem sich selbst bereichern, ist eine Karikatur dieser Klasse. Immerhin haben die klassischen Eliten in fast allen Demokratien des Westens in einem ausgeglichenen, auf Macht und Gegenmacht fußenden System erst ihren Ländern zu einem nie gekannten Wohlstand verholfen und obendrein gefährliche Krisen wie den Kalten Krieg, die Ölpreisschocks oder die Umweltverschmutzung, aber auch Herausforderungen wie die Globalisierung und den weltweiten Strukturwandel gemanagt.
Es ist richtig, dass sich die Eliten in den westlichen Demokratien häufig begegnen. In Deutschland sind sie im politischen Berlin, in den großen Wirtschaftsmetropolen des Landes sowie in den wichtigen Verbänden, Gewerkschaften, Kirchen und Wissenschaftsinstitutionen, aber auch Vereinen und verschwiegenen Zirkeln zuhause. Die Menschen, die etwas zu sagen haben, gehören unterschiedlichen Milieus an, aber finden trotz aller Gegensätze und Rivalitäten zu einer gemeinsamen Sprache. Kompromiss und Konsensfähigkeit zeichnen ihre Vertreter aus ebenso wie Pragmatismus und Abscheu vor Extremen.
Deutschland ist so von einem besiegten und moralisch am Boden liegenden zu einem wirtschaftlich erfolgreichen – und für seine demokratische Kultur respektierten – Land geworden. Aber auch die moralischen Sieger des Zweiten Weltkriegs, wie die USA und Großbritannien, die nordischen Länder, Frank-