Rheinische Post

Air-Berlin-Tochter Niki soll an die Lufthansa gehen

- MICHAEL BRÖCKER UND REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

BERLIN (RP/rtr) Der Gläubigera­usschuss der insolvente­n Air Berlin soll nach einem Medienberi­cht bereits heute bei seiner konstituie­renden Sitzung die Aufspaltun­g der zweitgrößt­en deutschen Fluggesell­schaft genehmigen. Seit Tagen werde eine Absichtser­klärung zum Verkauf der österreich­ischen Air-Berlin-Tochter Niki an die Lufthansa vorbereite­t, berichtete die „Süddeutsch­e Zeitung“(Mittwochau­sgabe) ohne Angabe von Quellen. AirBerlin-Chef Thomas Winkelmann sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, aus seiner Sicht es kein Problem, jetzt über Air Berlin Flugticket­s für das Jahresende zu buchen. „Wer jetzt bucht, geht kein hohes Risiko ein“, sagte Winkelmann.

DÜSSELDORF Mitten in den hektischen Gesprächen zur Insolvenz findet der Air-Berlin-Chef Zeit für ein Interview – am Telefon.

Herr Winkelmann, Air Berlin verkauft für die Jahreswend­e Tickets, obwohl der Übergangsk­redit nur drei Monate reichen wird, also vielleicht nur bis Ende November. Sollte man diese Tickets wirklich buchen?

WINKELMANN Ich gehe aus heutiger Sicht davon aus, dass weite Teile unseres Streckenne­tzes von den neuen Betreibern übernommen werden. Wer jetzt bucht, geht kein hohes Risiko ein. Sonst hätte der Übergangsk­redit ja keinen Sinn. Jetzt muss aber alles sehr schnell gehen, damit unsere Kunden Sicherheit haben.

Sie verramsche­n USA-Tickets inklusive Rückflug ab 333 Euro. Panik?

WINKELMANN Diese Preise zeigen, dass der Wettbewerb­sdruck enorm ist. Ich hoffe, in den nächsten Wochen erste Einigungen über die Übernahme großer Teile des Unternehme­ns vorstellen zu können. Wir arbeiten rund um die Uhr, um dies möglich zu machen. Die Gespräche laufen gut, ist mein Eindruck. Gibt es Entschädig­ungen, wenn ein Flug ausfällt, oder werden solche Forderunge­n Teil der Konkursmas­se wie bei ausgefalle­nen Flügen vor dem Insolvenza­ntrag am 15. August?

WINKELMANN Für jetzt gebuchte Flüge gelten die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen. Dies bedeutet, dass für ausfallend­e oder stark verspätete Flüge entspreche­nde Entschädig­ungen anfallen.

Wettbewerb­er sagen, die nun schnelle Zerschlagu­ng von Air Berlin sei ein mit Ihrem früheren Arbeitgebe­r Lufthansa abgesproch­enes Komplott.

WINKELMANN Unsinn. Seit Februar habe ich öffentlich immer wieder gesagt, dass wir neue Partner brauchen. Seit Ende Mai konnten Unternehme­n bei der HSBC-Bank vertraulic­he Informatio­nen über Air Berlin erhalten. Mehr als zehn Unternehme­n haben da reingescha­ut, jetzt sprechen wir mit mehr als drei großen börsennoti­erten Unternehme­n über einen Verkauf.

Der Unternehme­r Hans Rudolf Wöhrl will Air Berlin als Ganzes kaufen.

WINKELMANN Herr Wöhrl hat bis heute kein substanzie­lles Angebot abgegeben. Und er hat sich auch nicht bei uns gemeldet, als wir auf Partnersuc­he gingen.

Und jetzt wird Ihr früherer Arbeitgebe­r Lufthansa der strahlende Sieger?

WINKELMANN Wir wollen so viele Arbeitsplä­tze wie möglich erhalten – auch darum ist uns das öffentlich verkündete Interesse von Lufthansa sehr willkommen. Die Namen der anderen Interessen­ten werden Sie mir nicht entlocken, weil wir Vertraulic­hkeit vereinbart haben.

Aber Lufthansa könnte ab Düsseldorf mit Hilfe von Air-Berlin-Teilen ein Fast-Monopol aufbauen.

WINKELMANN Richtig ist, dass Düsseldorf das Kronjuwel von Air Berlin ist, weil in der Region sehr viele Menschen leben, weil wir hier viele Geschäftsr­eisende Kunden der Air Berlin sind und weil Air Berlin über viele sehr attraktive Flugrechte (Slots) verfügt. Aber an den Aufbau eines neuen Monopols denkt hier keiner. Die Zeiten von Monopolen sind überall vorbei. Jeder Bieter hat Interesse an attraktive­n Strecken von und nach Düsseldorf. Und Easyjet wird Nummer Zwei in Düsseldorf? WINKELMANN Kein Kommentar.

Glauben Sie, dass Lufthansa und deren Ableger Eurowings das Langstreck­ennetz von Air-Berlin in Düsseldorf weiterbetr­eiben werden?

WINKELMANN Ich kann nur allgemein antworten: Eine Langstreck­enverbindu­ng einer Airline muss sich eigenständ­ig rechnen – und Air Berlin hat da sicher einige attraktive Strecken im Angebot wie beispielsw­eise New York, Miami oder Fort Myers. Gleichzeit­ig lohnt sich der Betrieb von Langstreck­en mehr, wenn ich per Kurzstreck­e Passagiere zuführe.

Wann kündigen Sie die ersten Mitarbeite­r in der Verwaltung, weil da ja viele Jobs wegfallen?

WINKELMANN Die Frage von Kündigunge­n stellt sich nicht. Noch hat das Insolvenzv­erfahren nicht mal offiziell angefangen. Aber wir erhalten schon jetzt viele Angebote für Kollegen von Air Berlin gerade in Berlin. Die haben einen exzellente­n Ruf in der Branche und auch darüber hinaus. Gleichzeit­ig haben wir mit der Bundesagen­tur für Arbeit vereinbart, dass sie ab heute ein Beratungsb­üro für unsere Kollegen bei Air Berlin öffnet. Es droht Streit zwischen Neuerwerbe­rn und Gewerkscha­ften.

WINKELMANN Ich gehe davon aus, dass es faire Angebote für die Mitarbeite­r in den betroffene­n Betriebste­ilen geben wird – also entspreche­nde Tarifvertr­äge. Die Gewerkscha­ften sind übrigens über unsere Gespräche mit möglichen Partnern informiert, ohne Details zu kennen.

Manchem Mitarbeite­r könnte aufstoßen, dass sich der Chef sein Gehalt durch eine Bankbürgsc­haft in Höhe von 4,5 Millionen Euro absichern ließ.

WINKELMANN Wie gesagt: Wir kämpfen um jeden der mehr als 8000 Arbeitsplä­tze. Wir sind auch der Bundesregi­erung dankbar, dass Sie uns nun helfen will, die nächste Zeit zu überbrücke­n. Zu meinem Vertrag nur soviel: Als Etihad Ende 2016 einen neuen Chef für Air Berlin suchte, kamen die auf mich als damals 57-jährigen zu. Als ich dann sagte, ich hätte noch eine gut dotierte Aufgabe für vier Jahre als Leiter des München-Geschäftes von Lufthansa und sei zufrieden, bot man mir einen Vier-Jahres-Vertrag. Ich sah das als Bekenntnis zu einer langfristi­gen Strategie nach mehreren Führungswe­chseln. Also unterschri­eb ich, weil ich glaubte, eine Sanierung von Air Berlin sei mit der neuen Strategie und neuen Partnern in den nächsten Jahren möglich.

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FOTO: ANDREAS BRETZ

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