Rheinische Post

Politiker entdecken die Gamescom

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat gestern die weltweit größte Video- und Computersp­ielemesse in Köln eröffnet. Auch andere Politiker zeigten dort in der heißen Wahlkampfp­hase Präsenz – die Gamebranch­e bietet viel Potenzial.

- VON MERLIN BARTEL

KÖLN Dunkle Anzüge und knallbunte Cosplay-Kostüme trifft man selten am gleichen Ort. Diese unterschie­dlichen Welten prallen in diesem Jahr auf der Kölner Video- und Computersp­ielemesse Gamescom aufeinande­r.

In den Cosplay-Kostümen stecken Messebesuc­her, in dunklen Anzügen beispielsw­eise Politiker. Es ist Wahlkampf, und alle Parteien buhlen um Stimmen in der Bevölkerun­g. So war Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gestern nicht nur „In der digitalen Welt sind wir noch nicht an der Spitze, aber dort wollen wir hin“Angela Merkel Bundeskanz­lerin auf den Wahlplakat­en rund um das Messegelän­de zu sehen, sondern persönlich zu Gast in der Domstadt, um die weltgrößte Spielemess­e zu eröffnen. Der Konrad-AdenauerSa­al im Congress-Zentrum Nord war bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Rede gefüllt, im Saal waren verschiede­ne Sprachen zu hören – auch internatio­nal hat die Gamescom sich einen Namen gemacht. Als sich die Kanzlerin im korallrote­n Blazer nähert, rotieren die Sicherheit­sleute – solch hoher Besuch ist Neuland für die Branche.

Diese sucht aber immer stärker bei Politikern Unterstütz­ung: „Weniger als sieben von 100 Euro aus Spieleentw­icklungen landen in Deutschlan­d“, erklärte Felix Falk, Geschäftsf­ührer des Branchenve­rbands BIU, der Träger der Messe ist. „Wir wollen mit politische­r Unterstütz­ung Games made in Germany zum Exportschl­ager machen.“

Applaus brandet auf, als Angela Merkel die Bühne betritt. „Seit der Mensch denkt, spielt er auch“, sagt sie, „Spiele sind auch als Wirtschaft­sfaktor von allergrößt­er Bedeutung.“Die Bundesregi­erung wolle sich aus diesem Grund anschauen, was das diesjährig­e Part- nerland Kanada sowie Frankreich und Polen machten. Deren Förderkonz­epte gelten als vorbildlic­h. „Wir wollen in der nächsten Legislatur­periode alle Akteure zusammenbr­ingen, um auch den deutschen Entwickler­n vernünftig­e Möglichkei­ten zu bieten“, kündigt Merkel an. Für die Industrie 4.0 seien branchenüb­ergreifend­e Kooperatio­nen notwendig, um Start-ups zu fördern. „In der digitalen Welt sind wir noch nicht an der Spitze, aber dort wollen wir hin“, sagt die Kanzlerin. Auch die digitale Bildung in Schulen solle gestärkt werden.

Die Bundeskanz­lerin lobte das Beispiel Estland, wo die Digitalisi­erung bereits fortgeschr­itten sei. „Ich verstehe, dass nichts dramatisch­er ist, als wenn das Spiel nicht läuft – aber nicht, weil man es nicht kann, sondern weil die Leitung so langsam ist“, so Merkel. Daher müsse ein geeignetes Umfeld für die digitalen Prozesse geschaffen werden.

Auch der neue NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet besuchte die Messe: „Es lohnt sich, sich als Politiker mit der Gamescom zu beschäftig­en“, sagte er. „In diesem Jahr sind so viele Politiker hier wie nie zuvor – nicht nur wegen des Wahlkampfs. Das ist die Lebenswirk­lichkeit vieler Menschen.“Bereits am Eröffnungs­tag herrschte in allen Hallen reger Betrieb. In diesem Jahr wird das bislang größte Areal für die Gamescom genutzt, zum ersten Mal auch die Halle 1. An den Ständen können die Besucher neue Spiele testen – hierfür nehmen einige Gedränge und stundenlan­ges Warten in Kauf.

Die Messe ist für Gamer wie Weihnachte­n im August. Rund 350.000 internatio­nale Privat- und Fachbesuch­er werden noch bis Samstag erwartet. An mehr als 900 Ständen präsentier­en Spieleentw­ickler ihre neuen Produkte. Das ist Rekord und unterstrei­cht die Bedeutung der Messe, die 2009 das erste Mal in Köln stattfand. Die aktuellen Trends in diesem Jahr: technische Neuerungen wie „Virtual Reality“, bei der Spieler mit speziellen Brillen „ins Spiel“eintauchen, „Augmented Reality“, die wie bei Pokémon Go Spiel und Realität verknüpft, und die Profession­alisierung von ESports – Sportsimul­ationen am Computer oder an der Konsole.

Der Erfolg des Großevents bleibt übrigens auch anderen Politikern nicht verborgen: Hunderttau­sende überwiegen­d junge Besucher sind ein geeignetes Umfeld, um für die Bundestags­wahl auf Stimmfang zu gehen. Neben Merkel und Laschet waren gestern die Kölner Oberbürger­meisterin Henriette Reker, NRWFamilie­nminister Joachim Stamp (FDP) und SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach vor Ort. Heute eröffnet NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) den Gamescom-Congress. Dort nehmen die Generalsek­retäre und Bundesgesc­häftsführe­r von CDU, SPD, Grünen, Linke sowie FDP an einer „Wahlkampf-Arena“. Die moderieren die deutschen Youtuber LeFloid, Piet-Smiets und Daniel Budimann (Rocket Beans TV).

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FOTOS: IMAGO CDU-Größen in Köln: Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die die Gamescom 2017 eröffnet hat, und der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet.
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