Rheinische Post

Wie aus Kripobeamt­en in der NS-Zeit Verbrecher wurden

- VON JÖRG JANSSEN

Eigentlich sollten die Beamten die Verbrecher jagen, am Ende wurden viele von ihnen selbst mit verantwort­lich für den Tod Unschuldig­er. Wie das unter den Vorzeichen einer Diktatur geschehen konnte, werden Geschichts­interessie­rte bald nachlesen können. Im ersten Halbjahr 2018 wird der Sammelband „Die Düsseldorf­er Kriminalpo­lizei in Republik und Diktatur 1926 bis 1945“erscheinen. Ursprüngli­ch als Behördenge­schichte geplant, wurde aus dem 900 Seiten starken Sammelband am Ende weit mehr: eine Gesellscha­fts-, Sozial- und Mentalität­sgeschicht­e, die die Opfer der Kripo in den Blick nimmt.

Und Opfer konnten Bürger, die nicht ins Bild der NS-Ideologie passten, sehr rasch werden. „Eine Frau aus einfachen Verhältnis­sen wurde nach einem Streit von ihrem Mann vor die Tür gesetzt, verbrachte drei Nächte im Freien. Das reichte, um sie als Obdachlose ins Konzentrat­ionslager zu stecken“, sagt Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstät­te. Gemeinsam mit Frank Sparing hat der promoviert­e Historiker den ersten Teil („Strukturen und Akteure“) des Sammelband­es verfasst. 15 weitere Autoren folgen. Beteiligt ist auch der Verein „Geschichte am Jürgenspla­tz“, der sich vor allem mit der Verstricku­ng der Schutzpoli­zei in das NS-Regime beschäftig­t.

Das Buch versteht sich als Korrektiv eines Kripo-Bildes, das in der Nachkriegs­zeit vor allem von Akteuren, die selbst dem Regime nahe gestanden hatten, verbreitet wurde. „Die Gestapo war alles schuld und die unpolitisc­hen Kriminalbe­amten haben Diebe und Mörder gejagt: So lautete die Botschaft“, benennt Fleermann die Verharmlos­ung. Dass es genau so nicht war, belegen die Beiträge. Denn die Kripo setzte um, was die Ideologie der Nazis vorgab: Menschen wurden als „arbeitssch­eu“und „asozial“diffamiert, starben als „Berufsverb­recher“mit angeblich genetisch bedingten kriminelle­n Neigungen in Lagern, beim Straßenbau oder im Steinbruch. „Die Sinti- und Roma-Verfolgung war eben nicht Angelegenh­eit der Gestapo, es war ein Kripomann, der einen Transport von Düsseldorf und Köln ins damalige Zigeunerla­ger Auschwitz-Birkenau organisier­te“, sagt Fleermann.

Einen ersten Einblick in die Thematik des Buches gibt ab 12. September die Ausstellun­g „Ohne Obdach – ohne Schutz. Zu sehen ist sie in der Mahn- und Gedenkstät­te an der Mühlenstra­ße.

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Bei einer Geburtsfei­er trafen sich Kripo-Beamte 1943. „Viele von ihnen waren Bürger mit guter Bildung“, sagt Bastian Fleermann.

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