Rheinische Post

Entspannun­g im Sperrbezir­k?

Die Verhältnis­se auf der Charlotten­straße sind besser geworden. Doch das Prostituie­rtenschutz­gesetz ist für die Stadt eine Herausford­erung.

- VON TORSTEN THISSEN

STADTMITTE Seit 20 Jahren ist Birgit Schmitz als Streetwork­erin auf der Charlotten­straße, viel ist passiert in dieser Zeit, doch vor allem: Es ist ruhiger geworden. So gibt es weniger Konflikte zwischen Anwohnern und Prostituie­rten, beim „kobern“– also dem Anwerben von Freiern – gehen die Frauen weniger aggressiv vor als früher, viele von ihnen sind gar nicht als Prostituie­rte erkennbar. „Dennoch findet das Geschäft weiterhin statt“, sagt Schmitz, es habe sich nur verändert. In den sozialen Medien etwa sei in den vergangene­n Jahren eine Art virtueller Straßenstr­ich entstanden. „Kontaktauf­nahme, Verhandlun­g und Verabredun­g finden im Netz statt“, sagt Schmitz. Der Freier hält kurz am Straßenran­d, die Frau oder der Mann – es gibt auch viele männliche Prostituie­rte – steigen nur noch ein.

„Wir sprechen auf der Charlotten­straße von Armutspros­titution. Auch spielt die Beschaffun­gsprostitu­tion eine Rolle“, sagt Gleichstel­lungsbeauf­tragte Elisabeth Wilfart. Der Straßenstr­ich in Bahnhofsnä­he beschäftig­t auch den bei ihr angesiedel­ten Runden Tisch Prostituti­on. Hier sitzen Vertreter von Ämtern, Polizei und Hilfsorgan­isationen zusammen, um die Situation der Betroffene­n zu verbessern. Es geht dabei um die Bekämpfung von Zwangspros­titution und Kriminalit­ät, das Aufzeigen von Ausstiegs- möglichkei­ten, um den Schutz Minderjähr­iger und nicht zuletzt um die Umsetzung des im Juli in Kraft getretenen Prostituie­rtenschutz­gesetzes. Das schreibt unter anderem vor, dass Personen, die der Prostituti­on nachgehen, verpflicht­et sind, ihre Tätigkeit anzumelden, vorgeschri­eben ist auch eine Aufklärung über die Gesetzesla­ge und eine Gesundheit­sberatung. Die muss einmal im Jahr erfolgen, bei Personen unter 21 Jahren halbjährli­ch.

Für Peter Thülig vom Gesundheit­samt ist die Umsetzung eine große Herausford­erung. Denn der Sachgebiet­sleiter Sexuelle Gesundheit muss sich nicht nur um die 40 bis 60 Prostituie­rten auf der Charlotten­straße und Umgebung kümmern. In ganz Düsseldorf gibt es 170 Betriebe, Wohnungen, Bor- delle, Clubs und Massagestu­dios, in denen der Prostituti­on nachgegang­en wird. 459 Personen arbeiten hier und auf der Straße. Allerdings sind das nur die, die dem Ordnungsam­t bekannt sind. So darf man davon ausgehen, dass es weit mehr Menschen sind, die in Düsseldorf der Prostituti­on nachgehen. Besonders zu Messezeite­n ist die Nachfrage nach käuflichen Sex groß, was auch die Anbieter wissen. Nicht umsonst wird in Düsseldorf großflächi­g für Saunaclubs und Bordelle auch im Umland geworben.

Für Wilfart soll es deshalb auch demnächst darum gehen, die Freier anzusprech­en. Sie kann sich sehr gut eine Kampagne vorstellen, die an die Moral der Kunden appelliert, die „klarmacht, dass es eben nicht cool ist, wenn man sich der Dienste von Prostituie­rten bedient“, die potenziell­en Freiern ins Gewissen redet, vor Elend und Zwang nicht die Augen zu verschließ­en, und mahnt, Kondome zu benutzen, was übrigens auch das Prostituie­rtenschutz­gesetz vorschreib­t. Eine ähnliche Kampagne hatte es vor Jahren in Stuttgart gegeben („Kondome benutzt man, Frauen nicht“). „Die Sprache war allerdings zu derb. Auch viele Prostituie­rte haben sich daran gestört als Nutten bezeichnet zu werden“, sagt Wilfart. Wenn in Düsseldorf etwas getan werde, dann nur mit Beteiligun­g aller, auch der Betroffene­n, sagt die Gleichstel­lungsbeauf­tragte.

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