Besuch vom Bühnengott
Arnim Teutoburg-Weiß verwandelte das Zakk mit seiner Band Beatsteaks in eine Schwitzhütte mit 900 ekstatischen Fans.
Ob es seinem Publikum gut gehe, fragt Arnim Teutoburg-Weiß gegen halb elf, und weil er ja sieht und hört und riecht, dass dem so ist, präzisiert er seine Frage: „Richtig, richtig gut? Samstagabendgut?“
Drunter machen sie‘s nicht, die Beatsteaks aus Berlin, auch nicht an einem Donnerstag nach 22 Jahren im Geschäft und zehn Top-Ten-Singles und in der Ruhe vor dem Sturm, der in einer Woche mit dem achten Studioalbum „Yours“hereinbrechen wird.
Niedrig war die Hürde zur ganz großen Ekstase wahrlich nicht, schließlich war der Ansturm gewaltig, die Ticketserver waren unter der Last der Anfragen zusammengebrochen, Sekunden nach Verkaufsstart. Das war am 19. Juli, und in jeder der rund 900 Stunden seitdem war die Erwartungshaltung der ziemlich genau so vielen glücklichen Fans gestiegen. Die wenigen Tickets, die bei Ebay weiterverscherbelt wurden, erzielten dreistellige Preise.
Doch trotz alledem gelang ein fulminantes Konzert. Dabei standen die Beatsteaks nur rund 90 Minuten auf der Bühne und lösten dabei ihr Versprechen, „viele neue und viele alte Songs“zu spielen, gefühlt nur zur Hälfte ein. Natürlich zelebrierten Band und Fans „To be strong“und „Cut off the top“und „Hello Joe“, die Hymne an Joe Strummer, den legendären Sänger von The Clash, die die Beatsteaks diesmal wiederum den Toten Hosen widmeten. Nach ein paar härteren Nummern gab‘s zum Schluss auch den gänsehautschönen Schwur „I don‘t care as long as you sing“– aber mit „Hand in Hand“sowie „Summer“wurden gleich zwei geliebte Hymnen schmerzlich vermisst, dazu der Brecher „Jane became Insane“sowie das schlicht ergreifende, zarte „Hey du“.
Dafür bekam das springende, tanzende, schwitzende Publikum – darunter auch die Hosen Vom Ritchie und Andi Meurer – diverse brandneue Stücke zu hören. Diese wurden nicht unfreundlich und schon gar nicht ratlos ruhig aufgenommen, aber doch verhältnismäßig verhalten. Kein Wunder: So experimentell war das Berliner Punkrock-Quintett noch nie, genügen soll das Stichwort Autotune. Arnim Teutoburg-Weiß mag einen Namen tragen wie von Loriot erdacht, aber er ist ein Bühnengott, unfehlbar, unkritisierbar, unhassbar sowieso. Ein Zirkuskind, ausgebildet in Artistenschulen und Eckkneipen, auf Jugendheim-Bühnen sowie bei „Rock am Ring“, ein Mann zum Stehlen ganzer Pferdeherden. Von Berufsjugendlichkeit dürfte niemand weiter entfernt sein. Wenn er sagt, mit dem neuen Album wollten sie „die Ampeln auf Grün machen, oder wat“, verdreht man nicht die Augen. Er darf berlinern und Halbsätze nuscheln und teils fragwürdiges Englisch singen. Er darf Hawaii-Hem- den tragen und diverse sagenhaft hässliche Anglerhüte, er darf auch die abgeschmacktesten Tanzmoves bringen. Er darf neben den üblichen Punk-Heroen auch seinen inneren Freddie Mercury kanalisieren, Michael Jackson und H.P. Baxxter, Robbie Williams sowieso. Apropos: Nicht zuletzt mit einer lässigen Interpretation von Williams’ Schmachtfetzen „Angels“hatte im Vorprogramm die Kieler Ska-Band Tequila and the Sunrise Gang Dampf und Laune gemacht.
Arnim Teutoburg-Weiß darf mit irrem Grinsen Rasseln schwingen, ein paar Sekunden lang Profifotografen-Kameras klauen und damit unscharfe Bilder schießen. Er darf mit jungen blonden Frauen tanzen und Zigaretten rauchen, ohne dass es pseudocool wirkt. Er dürfte auch Zigarillo rauchen oder Pfeife oder sogar E-Zigarette. Er darf halbironisch „I Want to Break Free“schmettern.
Seit er die 40 überschritten hat, fühle er sich wie Andrea Pirlo, der elder statesman des Fußballs, hat er einmal dem „Spiegel“gesagt: „Früher war ich getrieben, jetzt bin ich der alte Hase auf dem Platz, der einen kühlen Kopf bewahrt.“Den nutzt er dann, um die Temperatur und Luftfeuchte systematisch nach oben zu treiben, so dass seine Hallen zu Schwitzhütten werden.
Vor der Tür werden danach TShirts ausgewrungen mit Aufdrucken von den Hosen, Donotos und Broilers, den Dropkick Murphys und Star Wars. Auf dem Bürgersteig liegt einer mit Krämpfen in den Beinen, klatschnass und glücklich. Es geht ihm samstagabendgut.