Rheinische Post

Die Geschichte von Draxler zwischen den Stühlen

Julian Draxler fühlte sich schon als König von Paris. Doch dann nahmen die Kataris viel Geld in die Hand und holten Neymar.

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An dieser Stelle könnte ich noch mal kurz die Geschichte erzählen, wie vor vier Jahren acht Kleinlaste­r durchs ehemalige Kohlerevie­r rollten. Darauf waren große Bilder des Fußballspi­elers Julian Draxler zu sehen. Und auf den Bildern stand: „Mit Stolz und Leidenscha­ft bis 2018.“Der Kollege Draxler hatte gerade seinen Vertrag bei Schalke 04 verlängert. Aber die Geschichte erzähle ich nicht.

Ich spare mir auch die andere Geschichte. Sie spielt in Wolfsburg. Dort steckten ein paar Werbefachl­eute den Spieler Draxler ins neue VfL-Trikot für die Saison 2016/17. So fotografie­rten sie ihn für ein Werbeplaka­t. Darauf stand: „Wolfsburge­r. Mit jeder Faser.“

Die letzte Geschichte, die ich an dieser Stelle nicht erzähle, hat ihren Ursprung im Winter nach dem Sommer, in dem Julian Draxler mit jeder Faser Wolfsburge­r war. Herr Draxler (damals 23) fand es in Wolfsburg plötzlich ein bisschen langweilig, er wollte lieber mit jeder Faser ein Spieler von Paris St. Germain sein. Das wurde er dann auch, weil er lange genug sein garstiges Schicksal in der niedersäch­sischen Provinz beklagte und nebenbei ziemlich lausig Fußball spielte. Die Unterabtei­lung des VW-Konzerns ließ Draxler für 37 Millionen Euro in die französisc­he Hauptstadt ziehen.

Die Geschichte, die ich nun wiederum doch erzählen muss, spielt in Paris. Sie handelt von schwerreic­hen Menschen aus Katar, einem brasiliani­schen Fußballer namens Neymar und dem Kollegen Draxler. Der kam als hochdekori­erter Con- fed-Cup-Sieger-Kapitän aus dem Sommerurla­ub, verriet noch gleich ein paar Medien, wie wohl er sich an der Seine im Allgemeine­n und unter all den anderen Hochbegabt­en bei PSG fühle und musste dann in der Zeitung (oder wo auch immer) Schrecklic­hes lesen. Die schwerreic­hen Kataris, denen sein Klub gehört, wollten bei all den bösen Neuigkeite­n um Terror-Unterstütz­ung und Sklavenarb­eit auf WMBaustell­en in der Heimat am Golf unbedingt mal schöne Schlagzeil­en schreiben lassen. Deswegen holten sie für die märchenhaf­te Ablösesumm­e von 222 Millionen Euro besagten Neymar nach Paris.

Das freut die Fans, die FußballFir­ma PSG und wahrschein­lich auch den Emir von Katar. Draxler freut es nicht. Schließlic­h bean- sprucht nun der brasiliani­sche Weltstar die Position des deutschen Vielleicht-mal-Weltstars. Und der Herr Draxler sitzt zwischen den Stühlen.

Das kennt er. Der Unterschie­d zu früheren Ereignisse­n: Diesmal hat er sich nicht selbst zwischen die Stühle gesetzt, sondern er wurde gesetzt. Jetzt will er natürlich schnell wieder weg. Er wird sich damit trösten, dass sich bestimmt jemand findet, dem er Stolz und Leidenscha­ft verspreche­n kann oder der ihn in ein Trikot steckt, das ihn als XY-Mann „mit jeder Faser“ausweist.

Die letzte Geschichte, die ich lieber nicht erzähle, handelt ein bisschen von Schadenfre­ude.

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