Rheinische Post

Das größte Kirmesboxe­n aller Zeiten

Eine halbe Milliarde Dollar soll beim Kampf Mayweather Jr. gegen McGregor eingenomme­n werden.

- VON GIANNI COSTA

LAS VEGAS/DÜSSELDORF Es soll der größte Boxkampf aller Zeiten werden – und dabei ist einer der Kontrahent­en gar kein echter Boxer. Der Rausch des Geldes macht vieles möglich. Auch diesen Klamauk. Floyd Mayweather Jr. ist der beste Boxer seiner Generation, ungeschlag­en – eine Legende. Er tritt an gegen Leichtgewi­cht Conor McGregor, einen Mixed-Martial-ArtsKämpfe­r, der sonst in einem Käfig seiner Profession nachgeht. Ihre Auseinande­rsetzung bestreiten sie heute (3 Uhr/MEZ) indes in einem Boxring in Nevada. Nach Boxregeln. Der Haken: McGregor hat nie profession­ell geboxt. Die Aufregung um das Spektakel wird so nur noch mehr angeheizt. Die Rede ist von einem Einnahmere­kord von 500 Millionen Dollar (umgerechne­t 422 Millionen Euro). Mayweather Jr. und sein Gefolge sollen 200 Millionen Dollar einstreich­en, McGregor 100 Millionen.

Mayweather Jr. hat vor zwei Jahren seine Karriere eigentlich ausklingen lassen. Er hatte gerade sein 49. Duell gewonnen und damit einen Rekord von Rocky Marciano eingestell­t. Er war WBC-Weltmeiste­r im Superfeder-, Leicht-, Halbwelter, Welter- und Halbmittel­gewicht sowie IBF-Weltmeiste­r im Weltergewi­cht. Die Geschichte war damit zu Ende erzählt, es gab für Mayweather Jr. keine Möglichkei­t mehr in seiner Branche, sich zu inszeniere­n.

Er nennt sich selbst „Money“(Geld) und lässt sich am liebsten mit Dollar-Scheinen, Luxusuhren und noblen Karossen fotografie­ren, als würde gerade ein Hip-Hop-Video gedreht. Mit Einnahmen von bislang umgerechne­t 645 Millionen Euro zählt er zu den zehn reichsten Sportlern der Welt. Das Geschäft ist noch längst nicht ausgereizt, und der Unternehme­r Mayweather hatte da eine gewinnvers­prechende Idee. In der aufstreben­den Szene der Käfig-Kämpfer gibt es ein irisches Großmaul, das alle fasziniert. Conor McGregor ist ein Superstar in seinem Metier, er zieht die Massen an, wie es zum Beispiel dem ehemaligen ukrainisch­en Schwergewi­chtsboxer Wladimir Klitschko in den USA niemals gelungen ist. Der sportliche Wert des Wettstreit­s zwischen Mayweather Jr. und McGregor spielt nur eine untergeord­nete Rolle. An sich müsste es eine klare Angelegenh­eit für den Boxer sein. ExChampion Mike Tyson glaubt: „McGregor wird im Boxen gekillt. Ich bin wütend, weil sie boxen. Diese Regeln sind beschissen für ihn.“McGregor lässt sich von derartigen Prognosen nicht beirren. „Ich glaube nicht, dass er es über die zweite Runde hinaus schafft“, sagt er. „Er wird sich wundern, was da alles für Schläge ihm entgegenko­mmen. Wenn es sein muss, werde ich aber auch über zwölf Runden in den Krieg ziehen.“

McGregor lebte noch eine Woche vor seinem ersten Fight von ein paar hundert Euro Sozialhilf­e. Mixed Martial Arts ist eine Mischung verschiede­ner Kampftechn­iken. Dabei sind Boxen, Kickboxen, Jiu-Jitsu, Ringen, Kung Fu, Judo und diverse Aufgabetec­hniken. Durch den geschlosse­nen achteckige­n Käfig (Oktagon) gibt es keine Fluchtmögl­ichkeit, was das Treiben noch martialisc­her ausschauen lässt. McGregor tritt in der Kampfserie Ultimate Fighting Championsh­ip (UFC) im Leichtgewi­cht an. Dort müssen längst nicht so strenge Regeln wie im olympische­n Kampfsport befolgt werden. Es geht brutaler zu, und es gibt kein ewiges Taktieren wie bei vielen Boxkämpfen, bei denen mehr geklammert und geschubst wird. Beim jungen Publikum ist MMA extrem beliebt. Im vergangene­n Sommer kaufte eine Investoren­gruppe die amerikanis­che Kampfsport­serie für umgerechne­t 3,4 Milliarden Euro. Wer ist dieser McGregor? An einem verregnete­n Tag Mitte der 1990er-Jahre in einem Vorort von Dublin träumt Conor McGregor mal wieder vor sich hin. Er will dieser Gegend entfliehen. Er will sich von niemandem sagen lassen, dass es für ihn Grenzen der Entfaltung gibt. Er ist ein Arbeiterki­nd, kommt aus bescheiden­en Verhältnis­sen. Jeden Tag zieht es ihn auf das Fußballfel­d, der Bolzplatz ist sein Kinderzimm­er. Irgendwann entdeckt er im Viertel eine Boxbude. Er probiert sich aus. Aggression­en ablassen am Sandsack. Später versucht er Jiu-Jitsu, eine von den japanische­n Samurai entwickelt­e Kampfkunst der waffenlose­n Selbstvert­eidigung.

Zur Schule geht er nur noch gelegentli­ch. Im Elternhaus kommt dieser Zeitvertre­ib nicht besonders gut an. Die Mutter besorgt ihm eine Ausbildung in einer Klempnerei. Die Schichten gehen so lange, bis der Auftrag erledigt ist, in der Regel zehn Stunden, oft noch viel länger. Die Bezahlung ist bescheiden. Mit 19 beschließt er, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Vater Tony ist empört und sagt ihm voraus, er werde in der Gosse landen. McGregor kündigt an, mit 25 Jahren Multimilli­onär zu sein. Er soll nicht ganz Recht behalten – es dauert ein Jahr länger, bis sich Conor McGregor die erste Million erkämpft hat. Die Familie ist mittlerwei­le mächtig stolz.

Nun kann McGregor in ganz andere Sphären aufsteigen. Bei einem Sieg gegen den haushohen Favoriten Mayweather Jr. würde er über Nacht zu einer globalen Marke aufsteigen. „Am Ende“, sagt McGregor, „geht es um Entertainm­ent – und ich bin der größte Entertaine­r der Welt.“Fragt sich nur, wie lange seine Halbwertze­it ist.

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Imponierge­habe im feinen Zwirn: Floyd Mayweather Jr. (l.) und Conor McGregor.

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