Rheinische Post

Über Stuttgart in die türkische Küche

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Als Student in Stuttgart hat Orhan Tançgil dreierlei vermisst: Mentalität und Dialekt seiner Düsseldorf­er Heimat – und die türkische Küche seiner Mutter. In Restaurant­s ist türkische Hausmannsk­ost auch eher unterreprä­sentiert – da blieb ihm keine Wahl, als Mamas Rezepte selbst nachzukoch­en. „Das war gar nicht so einfach,“erinnert sich der noch immer schwer beeindruck­te Sohn. Denn seine Mutter habe auf „türkische Art“gekocht, mit wenig Mengenanga­ben, dafür mit viel Augenmaß und Fingerspit­zengefühl. Ein Teigrezept aus Mutters Küche etwa gab die „Konsistenz eines Ohrläppche­ns“als Maßstab an. Tançgil hat es aber – nach einigen Monaten des Probierens – dann doch sehr gut hinbekomme­n. Und zugleich die Idee zum Blog „KochDichTü­rkisch“entwickelt – mit Rezepten in deutscher Sprache und „auf deutsche Art“, also mit exakten Mengenanga­ben für jede Zutat und jedes Gewürz, Videoanlei­tung natürlich inklusive. Zurück in Düsseldorf arbeitete Tançgil zunächst als Vertrieble­r in einem Medienunte­rnehmen. Die Leidenscha­ft fürs Kochen aber ließ ihn nicht mehr los. Der Blog blieb sein Hobby, auch als er Ende 2008 seine heutige Frau kennen- und lieben lernte, die mit Küche eigentlich nichts am Hut hatte. Orkide Tançgil war wegen eines Jobs aus Hannover nach Düsseldorf gezogen. Kochen hatte sie nie gelernt, ihre Mutter habe es ihr bewusst nie beigebrach­t, sagt sie, „ich sollte lieber studieren und keinesfall­s Hausfrau werden“. Studiert hat sie Produktdes­ign – und ist inzwischen auch eine Meisterin am Herd. Denn längst kochen sich die Tançgils gemeinsam durchs Leben: Sie treten im Fernsehen auf, und weil Kunden und Fans immer wieder danach fragten, gründeten sie einen Verlag, brachten ihr erstes Kochbuch heraus. Inzwischen sind es vier, das fünfte ist für nächstes Jahr geplant. Im Kochstudio in Flingern erklärt das Ehepaar in Kursen und bei Verkostung­en zudem nicht nur die Zubereitun­g seiner Gerichte, sondern auch die Aussprache ihrer türkischen Originalna­men. Es geht den Tançgils nicht nur ums Kochen, sondern auch um die Kultur. Schließlic­h, sagt Orkide, verstehe man die Kultur eines Landes auch über seine Ess- und Trinkgewoh­nheiten. Einen guten ersten Eindruck der türkischen Kultur gewinnt man bei den regelmäßig stattfinde­nden Wein- und Meze-Verkostung­en. Orhan erzählt dann Geschichte­n zu den Meze, den „kleinen Köstlichke­iten“, wie er sie nennt, und informiert über die meist unbekannte­n türkischen Weine. Das Ziel des Ehepaars: zur deutschtür­kischen Verständig­ung und auch Freundscha­ft beizutrage­n und mit seinen Rezepten und Veranstalt­ungen auch etwas vom türkischen Selbstvers­tändnis in den deutschen Alltag zu bringen.

Beate Werthschul­te

 ??  ?? Das Ehepaar Orhan und Orkide Tançgil tritt im TV auf und pflegt den Blog „KochDichTü­rkisch“.
Das Ehepaar Orhan und Orkide Tançgil tritt im TV auf und pflegt den Blog „KochDichTü­rkisch“.

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