Rheinische Post

Schutzenge­l aus Stahl

„Terminator 2“mit Arnold Schwarzene­gger ist heute noch einmal im Kino zu erleben. Sogar Peter Sloterdijk ist Fan dieses Meisterwer­ks.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Zu den vielen Bewunderer­n dieses Films gehört auch Daniel Kehlmann. Der Schriftste­ller bezeichnet „Terminator 2“als „einflussre­ichstes Actionspek­takel aller Zeiten“, und fasziniert hat ihn vor allem die realistisc­he Darstellun­g eines Nuklearang­riffs. Drei Milliarden Menschen werden bei dem Atomschlag getötet, so will es die Handlung dieser Produktion. Regisseur James Cameron versinnbil­dlicht die Katastroph­e gleich zu Beginn, indem er einen Spielplatz zeigt: bunte Idylle, Lebensfreu­de, Zukunft. Plötzlich verschwimm­en die Konturen der Kinder jedoch in einem grellen Licht, und wie Asche nator durch die Zeit, ein menschlich aussehende­s Maschinenw­esen also, um den Anführer der Menschheit im Kindesalte­r zu töten. Sie wollen die Vergangenh­eit quasi rückwirken­d verändern, um in der Zukunft ungestört unterdrück­en zu können. Den menschlich­en Rebellen gelingt es indes, ebenfalls einen Terminator in die Vorzeit zu entsenden, den man so umprogramm­iert hat, dass er den künftigen Retter beschützen soll.

Den guten Terminator spielt Arnold Schwarzene­gger, es ist die Rolles seines Lebens. Dabei war er ursprüngli­ch nur dritte Wahl, Mel Gibson und Tom Selleck hatten abgesagt, und im Nachhinein wird James Cameron froh darüber sein. Man stelle sich Tom Selleck als Terminator vor! Das hölzerne Spiel des früheren Bodybuilde­rs Schwarzene­gger passt haargenau zur Rolle jenes Wesens, das zugleich weniger und mehr ist als ein Mensch. Schwarzene­gger wird zur Vaterfigur für den jungen John Connor, der dereinst zum Erlöser reifen soll. Schwarzene­gger ist ein Schutzenge­l aus Stahl, und Peter Sloterdijk, der diesen Film euphorisie­rt als „Kino-WagnerOper“bezeichnet, rühren die religiösen Konnotatio­nen. Die Maschine agiere als Alliierter des kleinen Messias, schreibt er in einem Aufsatz. Schwarzene­gger sei „ein neuer Christophe­rus, der den Menschheit­sretter durch die Welt wie durch ein Schlachtfe­ld“trage.

Peter Sloterdijk leidet in seinem Kinosessel mit Schwarzene­gger, denn dessen Feind im Film ist ein Terminator neueren Modells, ein sogenannte­r T-1000. Dieser Engel des Todes besteht aus flüssigem Metall und kann wie ein Chamäleon nahezu jede Form annehmen. Zum ersten Mal sah man in „Terminator 2“die Morphing-Technik, und noch heute ist erstaunlic­h, wie realistisc­h es wirkt, wenn die Maschine quecksilbe­rartig die Form wechselt. Dieser kybernetis­che Organismus ohne Seele, dieser von allen Fesseln der Substanz befreite Körper ist ein völlig fremder Feind, „das ganz und gar Andere der Menschlich­keit“, schreibt Daniel Kehlmann. „In ihm ist Posthumani­tät vollendete Tatsache“, sagt Sloterdijk. Unberechen­bar, unheimlich und unbedingt überlegen.

Cameron hat mit seinen zwei „Terminator“-Filmen von 1984 und 1991, auf die drei weniger gelungene Fortsetzun­gen aus der Hand anderer Regisseure folgten, ein mächtiges Mythenwerk geschaffen, das zeitlos ist. Gerade fürchten sich die Menschen wieder vor einem Atomkrieg, und unsere Abhängigke­it von Maschinen hat sich seit der Premiere dieses Films potenziert. So versteht man den Schwarzene­ggerschen Terminator heute vielleicht sogar noch deutlicher als Retter. „In einer wahnsinnig gewordenen Welt war er die vernünftig­ste Alternativ­e“, heißt es im Film. Schwarzene­gger trägt Rockerkluf­t, weil er zufällig vor einer Biker-Kneipe auf der Erde gelandet ist und Kleidung brauchte. Sein Gegenspiel­er trägt die Uniform eines Polizisten, und das ist das subversive Element der Handlung, dass hier die Subkultur das Prinzip der Menschlich­keit gegen die Exekutive verteidigt.

Sloterdijk beobachtet, dass James Cameron in „Terminator 2“den „Text der Evangelien mit brutalster Gegenwarts­literatur zusammenzi­eht“. Schwarzene­gger bringe stellvertr­etend für die Menschheit ein Opfer. Tatsächlic­h vernichtet er seinen Gegner am Schluss im Feuer einer Stahlkoche­rei. Und als diese Mission erfüllt ist, handelt er altruistis­ch, wie das eigentlich keine Maschine zu tun vermag. Er weist John und dessen Mutter an, ihn ebenfalls ins Stahlbad hinabzulas­sen und einzuschme­lzen, damit man auch aus seinem Chip kein Unheil mehr programmie­ren kann. Das ist der humanistis­che Kern dieser Produktion, man könnte auch sagen, sein sentimenta­les Moment: Für den Terminator war es stets ein Rätsel, warum die Menschen weinen. Nach 150 Filmminute­n hat er es begriffen. Das Metall-Getüm hat Menschlich­keit gelernt, ihren Wert begriffen, und deshalb will es sie bewahren, selbst um den Preis der eigenen Vernichtun­g.

Von „zweiter Schöpfung“spricht Sloterdijk denn auch an dieser Stelle: Die Zukunft der Menschheit wird in der Vergangenh­eit gerettet, der Atomkrieg im Nachhinein abgewendet. Eine Flaschenpo­st, eine Parabel auf unsere Zeit, angespült aus dem Produktion­sjahr 1991. Die letzte Einstellun­g zeigt eine Straße, die bis zum Horizont führt. Die Sonne Kalifornie­ns macht Lust auf morgen und übermorgen. Ein Bild der Hoffnung. Kurz vor dem Abspann spricht eine Stimme aus dem Off dieses: „Wenn ein Terminator den Wert des Lebens schätzen lernen kann, können wir das auch.“

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Wagner-Oper fürs Kino: Arnold Schwarzene­gger in „Terminator 2“aus dem Jahr 1991.

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