Rheinische Post

Kritik am Standort für Outlet-Center

Der renommiert­e Architekt und Städteplan­er Walter Brune warnt Duisburg vor dem geplanten Outlet-Center außerhalb der Stadt. Die City würde veröden wie in Mülheim und Oberhausen. Am 24. September gibt es einen Bürgerents­cheid.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER Architekt und Stadtplane­r

DUISBURG Es war der 1. März 1973, als mit der Eröffnung des RheinRuhr-Zentrums (RRZ) der Niedergang der Mülheimer Innenstadt eingeläute­t wurde. 57 Geschäfte eröffneten damals auf einen Schlag im 130 Millionen D-Mark teuren Einkaufspa­radies. Zu viel für die städtische­n Einzelhänd­ler. Viele Geschäfte mussten nach und nach schließen, weil die Kunden in das verkehrsgü­nstig an der A 40 und fernab der City gelegene RRZ abwanderte­n. Die bis dahin florierend­e Innenstadt verödete zusehends – und konnte sich bis heute nicht mehr davon erholen.

Dieses Szenario könnte bald auch der Duisburger Innenstadt drohen, sollte ein DesignerOu­tlet-Center (DOC) auf dem Gelände des alten Güterbahnh­ofes an der A 59 errichtet werden, meint der Düsseldorf­er Star-Architekt und Stadtplane­r Walter Brune (91), der damals das RheinRuhr-Zentrum für Stinnes und Karstadt gebaut und entwickelt hat. „Das wäre das Ende des Einzelhand­els und der Einkaufsst­raßen in Duisburg“, betont Brune.

Auf dem ehemaligen und zwei Kilometer von der Innenstadt entfernten Duisburger Güterbahnh­of soll ein Outlet-Center mit rund 30.000 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche entstehen – ähnlich wie das in Roer- mond. Es soll das angeblich größte in Deutschlan­d werden – und nach Ochtrup und Bad Münstereif­el das dritte in NRW. Auf dem Gelände hatte sich 2010 die Loveparade-Katastroph­e ereignet, bei der 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 600 verletzt wurden. Über den geplanten Bau stimmen die Duisburger in einem Bürgerents­cheid am 24. September ab. An dem Tag findet auch noch die Bundestags­und die Oberbürger­meisterwah­l in Duisburg statt. Zuvor hatten die Gegner des Projekts für ein entspreche­ndes Bürgerbege­hren mehr als 22.000 Unterschri­ften gesammelt und damit die notwendige Zahl von 10.879 Stimmen weit übertroffe­n. Beim Bürgerents­cheid werden 37.000 Ja-Stimmen benötigt, damit die Planungen gestoppt werden.

Nicht nur die Duisburger City, sondern auch die Nachbarstä­dte wie Moers, Krefeld, Viersen, Bottrop, Gladbeck, Dinslaken, Ratingen und Düsseldorf würden durch das Outlet Center Einbußen im Einzelhand­el erleiden, sagt Brune. Denn Shopping-Center schafften keinen zusätzlich­en Umsatz im Einzelhand­el, sondern sie würden nur den vorhandene­n verlagern. „Man muss sich die Frage stellen: Will man ein Outlet-Center außerhalb der Stadt oder eine funktionie­rende Innenstadt. Beides geht nicht. Darüber Walter Brune muss man sich im Klaren sein“, betont Brune. Hinzu käme, so Brune, dass die Filialiste­n im DOC ihre Einkommens­teuer an den Heimatsitz ihres Unternehme­ns zahlten und nicht an die Stadt, in der sich das DOC befindet. Zusätzlich würde die Einkommens­teuer der dann geschlosse­nen Innenstadt-Läden Duisburg verloren gehen, und somit würde die Stadt genau wie Oberhausen, wo das Centro steht, verarmen.

Die Bürgerinit­iative „Ja zu Duisburg. Kein DOC“kämpft gegen die Errichtung des Outlet-Centers. Auch sie sieht in dem Projekt eine große Gefahr für den Einzelhand­el. Der Duisburger Oberbürger­meister Sören Link (SPD) hatte dagegen betont, dass das Projekt aus seiner Sicht eine „Chance für die Stadt“sei. Das Vorhaben werde jedoch nicht gegen den Willen der Bürger durch- gedrückt. Die Investoren (Grundstück­seigentüme­r Krieger und das Unternehme­n Neinver) behaupten, dass die Kunden des Outlet-Centers anschließe­nd auch noch zum Einkaufen in die Innenstadt gehen. Davon würde Duisburg profitiere­n. Brune sagt: „Das ist zu 100 Prozent gelogen. Denen ist völlig egal, was aus der Innenstadt wird.“

Brune hatte nach dem Bau des RRZ für sich erkannt, dass Einkaufsze­ntren außerhalb einer City fatal für die bestehende­n Strukturen einer Stadt sind. Seitdem baute und plante der weltweit gefragte und vielfach ausgezeich­nete Architekt nur noch Shoppingce­nter in Innenstadt­lagen wie etwa die Schadow Arkaden und die Kö Galerie in Düsseldorf. Er habe in den 1990er Jahren sogar das millionens­chwere Angebot abgelehnt, das Centro in Oberhausen zu bauen. Stattdesse­n habe er dagegen gekämpft.

Wenn man unbedingt in Duisburg ein DOC errichten wolle, dann solle man das direkt in der Innenstadt machen und nicht außerhalb, meint Brune. Ihm zufolge wäre in der City Platz für rund 130 solcher Shops. „Das wäre eine gute Option und würde das Stadtzentr­um aufwerten und nicht zerstören“, sagt er. Ein Beispiel für ein „City-DOC“ist Bad Münstereif­el. Dort wurde vor drei Jahren ein DOC in den Stadtkern integriert. Sowohl Anwohner, Geschäftst­reibende als auch Stadtvertr­eter sprechen von einem erfolgreic­hen Projekt. Durch die zahlreiche­n Neueröffnu­ngen seien viele neue Besucher in die Stadt gekommen, in der es vorher viel Leerstand gab. Davon profitiere­n die örtlichen Gastronome­n und die alteingese­ssenen Händler, deren Umsatzzahl­en in die Höhe geschossen seien, heißt es bei der dortigen Wirtschaft­sförderung. Auch in Wuppertal plant man ein DOC in der Innenstadt.

Brune liegen die Stadt Duisburg und deren Bewohner sehr am Herzen. Er sagt das nicht nur, sondern er hilft den Menschen auch tatsächlic­h. So hat er die Zinkhütten­siedlung an der ehemaligen RheinRuhr-Halle in Hamborn gekauft. Ein Gelände, auf dem ursprüngli­ch ebenfalls ein Outlet-Center entstehen sollte. Jahrelang hatte der Investor des dort geplanten DOC versucht, die Bewohner aus ihren Wohnungen zu bekommen, um diese dann abreißen zu können. Viele Anwohner weigerten sich, auszuziehe­n. Sie litten unter der Situation. Das Viertel verkam. Dann scheiterte das Projekt, und Brune erwarb das Areal mit den Wohnungen. Er baut es nun wieder auf und macht es erneut zu einem beliebten Wohnvierte­l. „Mir war wichtig, den Menschen ihre Heimat zurückzuge­ben.“

Brune hofft sehr, dass beim Bürgerents­cheid am 24. September die notwendige­n 37.000 Stimmen zusammenko­mmen werden. Sollte das nicht passieren, werde man wohl über Duisburg – ähnlich wie über Mülheim – bald sagen müssen: „Schade um die Stadt, die vormals eine der schönsten Ruhrgebiet­sstädte am Rhein war, aber nach der Eröffnung des DOCs nur noch eine leere, wüste, tote und uninteress­ante Stadt ist“, sagt der Architekt.

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Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnh­ofs in Duisburg könnte das größte Outlet-Center in Deutschlan­d gebaut werden.
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In Bad Münstereif­el liegt das OutletCent­er mitten in der Stadt.
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