Rheinische Post

15-Jährige erstickt Baby nach Geburt

Das Mädchen hat die Schwangers­chaft vor Eltern und Bekannten verheimlic­ht.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

BOCHUM Ein 15-jähriges Mädchen hat in Wattensche­id in der elterliche­n Wohnung heimlich ein Kind zur Welt gebracht und das Neugeboren­e danach erstickt. Innerhalb der Familie habe die Jugendlich­e sowohl Schwangers­chaft als auch Geburt geheimhalt­en können, sagte Polizeispr­echer Volker Schütte gestern. Sie habe offensicht­lich unter großer Angst gehandelt.

Das Mädchen vertraute sich nach der Tat über den Messengerd­ienst WhatsApp Bekannten an, die daraufhin die Polizei informiert­en. In ihrer Nachricht soll die 15-Jährige sich laut Schütte auch selbst bezichtigt haben, ihr Kind getötet zu haben. Beamte fanden in der Nacht zu gestern den toten Säugling in der Wohnung. Das Mädchen kam zur Untersuchu­ng ins Krankenhau­s und wurde vernommen.

Auch das Umfeld des Mädchens wird befragt, um Klarheit darüber zu bekommen, warum die Schwangers­chaft weder Familienmi­tglie- dern noch Mitschüler­n aufgefalle­n ist. „Das mag theoretisc­h möglich sein“, sagte Schütte. So sei wohl eine Gewichtszu­nahme bei dem Mädchen registrier­t worden, doch niemand brachte dies in Zusammenha­ng mit einer Schwangers­chaft. „Bei einer 15-Jährigen denkt man daran auch nicht unbedingt“, sagte Schütte. Eine Obduktion des Säuglings soll nun die genauen Todesumstä­nde klären.

Die Tötung eines neugeboren­en Kindes wird als Neonatizid bezeichnet. Bundesweit gibt es im Jahr etwa 30 Fälle, davon werden rund 50 bis 70 Prozent aufgeklärt. Als Auslöser gilt in der Regel eine Kombinatio­n diverser Faktoren, vor allem aber eine Stressreak­tion durch die Ge- burt. Laut Kriminolog­en stammen die betroffene­n Mütter nicht durchweg aus prekären Verhältnis­sen oder sind besonders jung. Stattdesse­n ziehen sich die Taten durch alle Altersklas­sen und sozialen Schichten. Auch bei den Motiven gibt es demnach eine große Bandbreite, oft lehnt das Umfeld der Frauen eine Elternscha­ft ab. Es gibt aber auch Taten, die sich rational schwer erklären lassen, weil das familiäre Umfeld völlig intakt ist.

Einziges verbindend­es Element ist die Tatsache, dass es den Müttern gelingt, ihre Schwangers­chaft zu verbergen, beziehungs­weise dass diese im Umfeld nicht wahrgenomm­en wird. Dass die Fallzahlen – 1950 waren es rund 300 Neonatizid­e – nicht höher liegen, wird auf gute Hilfsangeb­ote zurückgefü­hrt. So können Frauen eine Schwangers­chaftskonf­liktberatu­ng aufsuchen oder ihr Neugeboren­es anonym in Babyklappe­n abgeben oder zur Adoption freigeben. Juristisch wird Neonatizid als Mord oder Totschlag bewertet.

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