GESELLSCHAFTSKUNDE Nach Libyen blicken
Europa schottet sich ab – wohldosiert. Funktionierende Außengrenzen sind sicher notwendig, doch dürfen sie nicht dazu dienen, die Not der Migranten aus dem Blickfeld zu schieben.
kaufen, dann ist das der Versuch, „es richtig zu machen“, gut zu leben, möglichst wenig Schaden anzurichten. Und es ist eine Reaktion auf die Ungewissheit, mit der wir moralische Entscheidungen treffen – und verantworten müssen.
Man kann diese Ungewissheit beklagen, man kann sie aber auch als Motor verstehen, der jeden Einzelnen antreibt, seinen Lebensstil zu reflektieren. Gerade in Zeiten von Wahlen zeigt sich, ob in einer Gesellschaft Menschen egal welcher politischen Überzeugung leben, die sich für das Miteinander verantwortlich fühlen oder ob Wut und Frust regieren und Machthaber emporbringen, die in Freund-Feind-Mustern denken.
Selbstbestimmt seinen moralischen Kompass zu justieren, verlangt allerdings, sich selbst in Frage zu stellen. Auch beim Thema Migration. Es ist nicht wegzudiskutieren, dass Menschen in Europa allein durch den Zufall ihrer Geburt in Wohlstand und relativer Sicherheit leben. Dieses Glück bedeutet Verantwortung, sonst wird Europa eine dekadente Festung der Glückseligen. Wenn nun schon in Libyen darüber entschieden werden soll, ob Migranten nach Europa kommen, dient das auch dazu, die Not vieler Menschen auf Distanz zu halten.
Wir können nicht allen helfen, heißt es nun oft. Das ist wahr. Aber das Schicksal von Menschen an Europas Außengrenzen geht die Menschen in Europa etwas an. Was daraus folgt, ist zu diskutieren. Es gibt auf moralische Fragen keine einfachen Antworten mehr. Zu stellen aber sind sie. Wegschauen ist bequem, redlich ist es nicht.