Rheinische Post

Der Künstler als Schürzenjä­ger

In „Rodin“beschreibt Jacques Doillon das Schaffen des Bildhauers und sein Verhältnis zu Frauen.

- VON SABINE GLAUBITZ

(dpa) Er knetet den Ton, als liefere er sich mit der Materie eine Schlacht. Dafür hat Frankreich­s Leinwandst­ar Vincent Lindon lange geübt. Sechs Monate lang habe er bei einem Bildhauer Unterricht genommen. Denn in dem biografisc­hen Drama „Rodin“des Franzosen Jacques Doillon ist er in der Rolle des berühmten Bildhauers zu sehen. Doch der 58Jährige, der 2015 in dem Film „Der Wert des Menschen“mit dem Preis des besten Schauspiel­ers der Festspiele in Cannes ausgezeich­net wurde, überzeugt diesmal nicht, ebenso wenig wie der Film.

Die Geschichte setzt 1880 ein. Zu diesem Zeitpunkt ist Auguste Rodin bereits ein anerkannte­r Künstler. Er hat Gehilfen und Schülerinn­en und erhält vom französisc­hen Staat seinen ersten Auftrag, den Entwurf eines Bronzeport­als für das Pariser Museum für dekorative Künste. Das „Höllentor“wird sein Lebenswerk werden, denn Rodin arbeitete 37 Jahre an den 200 Figuren des sechs Meter hohen Portals.

Im Jahr 1883 lernt Rodin die 24 Jahre jüngere Camille Claudel kennen. Sie wird seine Schülerin, Muse und Geliebte. Die Beziehung ist leidenscha­ftlich und schwierig. Clau- del leidet unter dem Verhältnis zu Rose, der Mutter von Rodins Sohn. Nach mehr als zehn Jahren trennt sie sich von Rodin, weil er sie nicht heiraten will.

Die Geschichte ist den meisten aus dem Film „Camille Claudel“von Bruno Nuytten mit Gérard Depardieu als Rodin und Isabelle Adjani als Claudel bekannt. Das Doku-Drama zog 1988 Millionen von Zuschauern vor die Leinwand. Doch Doillon präsentier­t uns eine Lesart, die jener widerspric­ht, die Claudel als verkannte und tragische Künstlerin darstellt.

„Rodin“soll kein Antifilm sein. Er habe das Drama nicht gedreht, um Rodins Image zu rehabiliti­eren, erklärte Doillon. Doch sei der Künstler in den 80er Jahren in der Literatur und im Kino schlecht behandelt worden. Und so präsentier­t Doillon Claudel nicht als Künstlerko­llegin, sondern als Geliebte. Es wird leidenscha­ftlich geliebt und ebenso heftig gestritten. Lust und Wut folgen aufeinande­r, doch keine der Emotionen springt auf den Zuschauer über. Lindon Vincent überzeugt ebenso wenig wie die 26-jährige Iziä Higelin als Claudel.

Rodin à la Doillon ist ein besessener Künstler und Schürzenjä­ger. Die einzige Beziehung, die etwas Einblick in die Psyche der Figuren erlaubt, ist die mit seiner langjährig­en Lebensgefä­hrtin Rose, eine einfache bäuerlich wirkende Frau, die Rodin wenige Monate vor seinem Tod im November 1917 heiratete.

Doillon gilt als einer der umstritten­sten Autorenfil­mer. Auch an seinem Rodin scheiden sich die Geister. Während sein Drama, das in Cannes 2017 im Hauptwettb­ewerb gezeigt wurde, von der französisc­hen Presse eher positiv aufgenomme­n wurde, fiel es bei den angelsächs­ischen Kritikern durch. Als konvention­ell, frauenfein­dlich und kalt wie Marmorstei­n wurde der Film qualifizie­rt.

Die amerikanis­che Fachzeitsc­hrift „Hollywood Reporter“schrieb: „Für einen Film, der die Ausdrucksk­raft der Dreidimens­ionalität feiern sollte, ist ,Rodin’ schrecklic­h flach geworden.“

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Auguste Rodin (Vincent Lindon, 2.v.r.) bei der Arbeit.

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