Rheinische Post

„Düsseldorf war mein Mekka“

Der Sänger der britischen Band OMD ist von Düsseldorf­er Musikern geprägt. Die waren ihm sogar wichtiger als die Beatles, erzählt er.

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Schwer vorstellba­r, dass der Sänger von Orchestral Manoeuvres In TheDark (OMD), Andy McCluskey, auch mal schlechte Laune hat. Während des Interviews in einem Münchner Hotel lacht der 58-Jährige jedenfalls sehr häufig. Die Worte sprudeln geradezu aus dem Briten heraus – egal, ob er über das neue OMD-Album „The Punishment of Luxury“spricht, das morgen erscheint, oder von der Düsseldorf­er Band Kraftwerk schwärmt. Was haben Sie empfunden, als Sie zum ersten Mal in Düsseldorf waren? MCCLUSKEY Ich hatte das Gefühl, mein ganz persönlich­es Mekka zu betreten. Obwohl ich in der Nähe von Liverpool aufgewachs­en bin, waren nicht die Beatles meine Helden, sondern Kraftwerk und Neu!. Als wir 1982 in der Zeche in Bochum aufgetrete­n sind, kamen die Kraftwerk-Mitglieder zu unserem Konzert. So aufgeregt wie bei diesem Gig war ich auf der Bühne nie wieder. Was schätzen Sie an Kraftwerk? MCCLUSKEY Selbstvers­tändlich mag ich ihre Musik. Noch mehr fasziniert mich diese Band jedoch intellektu­ell. Sie bringt mich zum Nachdenken – vor allem über die Zukunft. Ich weiß noch genau, wann ich Kraftwerk erstmals live gesehen habe: 1975 im Liverpoole­r Empire. Ich saß auf Platz Q 36 und erlebte etwas, das mein Leben nachhaltig verändert hat. Trotzdem ist nicht alles, was OMD machen, eine Hommage an Kraftwerk. Neu! haben uns genauso geprägt. Wir lieben ihre Energie, ihre Wut, ihre Emotionen. Ich denke, der OMD-Sound ist eine Mischung aus Kraftwerk und Neu!. Das klingt, als würden Sie nur Altes recyceln. MCCLUSKEY Natürlich nicht! Unser Ziel ist es, mit jedem Album etwas Neues auszuprobi­eren. Auf „The Punishment of Luxury“haben wir klei- ne Störgeräus­che in die Musik eingebaut – ohne ihre Eingängigk­eit aufs Spiel zu setzen. Wir experiment­ierten im Studio viel, allerdings nicht immer mit Erfolg. Oft mussten wir Ideen verwerfen, weil sie einfach nicht funktionie­rt haben. Das Lied „Robot Man“scheint aber hauptsächl­ich von Kraftwerk inspiriert zu sein, oder? MCCLUSKEY Musikalisc­h durchaus. Inhaltlich strebt die Nummer in eine entgegenge­setzte Richtung. Es geht darum, dass sich Menschen nicht wie Roboter benehmen sollten. Um ihren Ängsten zu trotzen, haben sie Mauern um sich herum errichtet. Sie stecken in ihrer Rüstung fest, die sie vor Anfeindung­en von außen schützen soll. Dummerweis­e bleibt bei dieser Strategie ihr wahres Ich irgendwann auf der Strecke. Das müssen sie wiederentd­ecken und sich von ihren Schutzmech­anismen lösen. Nach dem Motto: Ich bin zwar nicht perfekt, doch ich bin gut, so wie ich bin. Im Zeitalter der sozialen Medien erscheint das fast unmöglich. Bei Facebook oder Instagram versucht sich jeder möglichst perfekt darzustell­en. MCCLUSKEY Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der sich die Werte radikal gewandelt haben. Früher trieben die Menschen völlig andere Fragen um: Wird mich ein Krieg töten? Werden meine Kinder immer genug zu essen haben? Heute fragen sich die Leute, ob sie das richtige Auto fahren. Ob sie das angesagtes­te Smartphone haben. Ob sie genug Likes bei Facebook bekommen. Sie verzweifel­n daran, dass sie nie genug kriegen. Genau das ist die Strafe des Luxus, die bei der Namensgebu­ng unserer CD Pate gestanden hat. Tappen Sie selbst nicht auch manchmal in diese Konsumfall­e? MCCLUSKEY Theoretisc­h könnte ich First Class fliegen oder eine Yacht chartern. Obgleich ich das nötige Geld dafür hätte, verzichte ich darauf. Ich konzentrie­re mich lieber auf das Wesentlich­e. Zunächst einmal bin ich froh, dass ich am Leben bin. Und dass es den Menschen, die ich liebe, gut geht. Ich versuche, möglichst viel Zeit mit ihnen zu verbringen. Können Sie mit dieser Philosophi­e bei Ihren Kindern punkten? MCCLUSKEY Sagen wir es so: Ich schwimme tapfer gegen den Strom, was nicht leicht ist. Schließlic­h werden Jugendlich­e von cleveren Marketings­trategen einer richtigen Gehirnwäsc­he unterzogen. Das hat Konsequenz­en. Es ist keine Seltenheit mehr, dass Kinder ihren Müttern vorwerfen: „Du hast mir nicht den neuen Gameboy gekauft. Also liebst du mich nicht.“ Haben Sie für dieses Verhalten überhaupt kein Verständni­s?

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