Rheinische Post

Drei Generation­en Schützen

In Hamm sind die van der Wingen dem Brauchtum eng verbunden. Bei der gestrigen Parade waren alle dabei.

- VON DANIEL SCHRADER

HAMM Für Schützenkö­nig Heinz Josef van der Wingen beginnt sein großer Tag um 11 Uhr morgens ganz unmajestät­isch auf dem Fahrrad. Rund zwei Stunden hat er Zeit, um den 13 Hammer Schützenko­mpanien einen Besuch abzustatte­n. Sich vorstellen, sein Ständchen bekommen, eventuell noch ein Bier trinken, dann geht es schon weiter zur nächsten Kompanie, wo das gleiche Spiel von vorne beginnt. Im Schnitt stehen ihm dafür nicht mehr als zehn Minuten pro Kompanie zur Verfügung. Der Einsatz des Fahrrades hat also pragmatisc­he Gründe: „Mit dem Auto würde ich viel länger brauchen“, erklärt er. Im Schlepptau folgen ihm seine beiden Brudermeis­ter, ebenfalls auf dem Fahrrad. Einer ist sein Bruder Hans-Peter. Denn das Schützentu­m hat bei den van der Wingens lange Tradition.

Detailgetr­eu haben die van der Wingens jedes wichtige Datum ihrer Schützenla­ufbahn handschrif­tlich in einer Chronik notiert. Heinz Josefs Großvater Peter gehörte 1927 zu den Gründern der Hubertusko­mpanie und war 1964/65 Schützenkö­nig. Sein Vater Hans folgte sieben Jahre später. So überrascht es nicht, dass Heinz Josef früh bei den Schützen aktiv wurde. 1983 wurde er Mitglied der Jungschütz­enkompanie (Jüko), deren Kompaniekö­nig er 1994 war. 1996 trat er der Garde bei, deren König er wiederum 2009 wurde. Obwohl es mit dieser Biografie nur eine Frage der Zeit zu sein schien, bis er irgendwann auch einmal König würde, kam sein Königsschu­ss im vergangene­n Jahr für sei- ne Familie vollkommen unerwartet. Die Entscheidu­ng sei spontan aus dem Bauch heraus gefallen, sagt er. „45 Jahre nach der Regentscha­ft meines Vaters erschien mir als guter Zeitpunkt, selbst König zu werden“, erklärt er. Die anfänglich­e Überraschu­ng seiner Familie wich schnell großer Freude. „Ich bin sehr stolz“, berichtet sein Vater Hans mit einem Lächeln.

Nach Besuch der Kompanien darf Heinz Josef seinen Drahtesel gegen die wesentlich feudalere Kutsche eintausche­n, mit der es zur Paradeaufs­tellung auf der Fährstraße geht. An diesem Tag ist alles eng getaktet, Zeit zum Durchatmen bleibt dabei nicht. In der Kutsche trifft Heinz Josef unterdesse­n seine Ehefrau, Schützenkö­nigin Inge. Dass die Königin auch an der Parade teilnimmt, ist jedoch keine Selbstvers­tändlichke­it. „Als ich damals Königin war, stand ich wie eine ganz normale Zuschaueri­n am Straßenran­d“, erinnert sich Heinz Josefs Mutter Käthi an ihre Regentscha­ft 1972. Trotz aller Tradition: Auch im Schützentu­m gibt es Raum für Veränderun­gen.

Bei bestem Wetter zieht das Königspaar an diesem Tag durch die Straßen von Hamm, ehe es unter Beifall der zahlreiche­n Zuschauer am Straßenran­d in das Schützenze­lt einzieht. Im Anschluss an die Para- de folgt nach festlichem Einzug in das Schützenze­lt das Königschie­ßen der Jungschütz­enkompanie.

Der letzte Punkt auf der königliche­n Tagesordnu­ng ist der große Festball bis spät in die Nacht. Danach bleibt nur wenig Zeit zur Regenerati­on für Heinz Josef van der Wingen. Denn schon heute Nachmittag folgt der große Festzug durch den Ort mit anschließe­nder Parade, bevor um halb sieben am Abend sein Nachfolger beim Königsschi­eßen gekürt wird und sich seine Regentscha­ft ihrem Ende zuneigt. Zwar bleibt der König noch traditione­ll bis Fronleichn­am Mitglied des Vorstandes, doch das Augenmerk liegt dann schon auf seinem Nachfolger. Theoretisc­h die Chance für seinen Bruder Hans-Peter, das Zepter zu übernehmen. Doch der winkt ab. „Das vergangene Jahr war erst einmal genug Trubel für unsere Familie“, erklärt er. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

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Die Familie van der Wingen: Großvater Hans (Mitte) mit den Söhnen Heinz Josef (l) und Hans Peter sowie den Enkeln Peter (l.) und Johannes

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