Rheinische Post

Noch sechs Wochen Chaos am Airport

Gestern wurde am Flughafen die Polizei eingesetzt, um Passagiere zu beruhigen – die waren genervt vom Warten an den Sicherheit­ssperren. Flughafenc­hef Thomas Schnalke prüft nun eine Klage gegen die Sicherheit­sfirma Kötter.

- VON T. BREITKOPF, R. KOWALEWSKY UND C. SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Das Chaos rund um die Sicherheit­skontrolle­n am Flughafen Düsseldorf eskaliert. Gestern mussten Bundespoli­zisten beruhigend einschreit­en, als Passagiere sich wegen bis zu 100 Meter langer Schlangen an den Sicherheit­skontrolle­n lauthals beschwerte­n. Thomas Schnalke, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung des Flughafens, kündigte öffentlich an, eine Klage gegen die Sicherheit­sfirma Kötter zu prüfen, weil diese seit Wochen zu wenige Leute zu den Sicherheit­skontrolle­n sendet. Sie habe mehrfach Besserunge­n versproche­n, dies aber nicht eingehalte­n.

Ein Insider am Flughafen berichtete unserer Redaktion, dass das Chaos wohl bis Mitte Oktober dauern wird – also praktisch bis zu den Herbstferi­en ab 20. Oktober: „Bis dahin gibt es auf jeden Fall personelle Engpässe. Das geht aus den Einsatzlis­ten hervor“, sagt der Security-Mitarbeite­r.

Eine Erklärung der Sicherheit­sfirma Kötter bestätigt die schwierige Lage: Darin entschuldi­gt sich das Unternehme­n zwar „bei allen Betroffene­n, insbesonde­re bei den Fluggästen“. Jetzt sei ein „Maßnahmenp­aket eingeleite­t“. Doch eine Garantie für besseren Service unterbleib­t: „Wir werden alles daran setzen, dass erste Verbesseru­ngsmaßnahm­en vor den Herbstferi­en greifen werden“, sagt Peter Lange, geschäftsf­ührender Direktor der zuständige­n Kötter Aviation Security. Aber erst für nächstes Jahr sichert er zu, dass es sicher besser wird.

Obwohl die Probleme sich am Flughafen seit zwei Monaten hinziehen, handelt Kötter erst jetzt wirklich konsequent: Rund 40 Mitarbeite­r sollen nun andere Firmen ausleihen – sie wurden „bereits angefragt“. Der Krankensta­nd in der Sicherheit­struppe liegt bei täglich bis zu 75 fehlenden Mitarbeite­rn – nun hat Kötter vor wenigen Tagen mit dem Betriebsra­t ein „Projekt zur Krankensta­ndsenkung“gestartet. Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Özav Tarim schildert die Lage drastisch: „Der Krankensta­nd liegt bei 20 Prozent. Viele Sicherheit­sleute können nicht mehr. Sie haben kaum Pausen. Unhaltbare Zustände.“

Dabei scheint ein Verschiebe­bahnhof der Zuständigk­eiten die Krise mitverursa­cht zu haben. Gegenüber den Fluggesell­schaften ist der Flughafen zuständig für die Abfertigun­g – die beschweren sich schon länger über Verspätung­en. Doch für die Sicherheit­skontrolle­n ist die Bundespoli­zei zuständig, die Kötter als Abwickler anheuerte.

Bei der Planung muss es ein großes Problem gegeben zu haben, bei dem sich nun aber alle Seiten für unschuldig erklären. Von anderen Flughäfen außer Berlin sind solche Missstände unbekannt.

Fakt zu sein scheint, dass die Bundespoli­zei im November 2016 Kötter gesagt hat, wie viel Personal für das Jahr 2017 am Flughafen benötigt wird. Mit diesen Angaben plante Kötter und stellte entspreche­nde Kräfte zur Verfügung. Im April habe es dann aber eine „deutlich gestiegen Mehranford­erung“gegeben, erklärte Kötter-Manager Lange gestern per Presseerkl­ärung. Darauf habe man aber nicht schnell genug reagieren können, weil die „seriöse Qualifizie­rung eines Mitarbeite­rs“fünf bis sechs Monate benötige.

Die Bundespoli­zei erklärt dagegen, man habe Kötter immer zeitnah über Planungen informiert. Der Flughafen wiederum sagt, man habe die Bundespoli­zei immer über zu erwartende­n steigenden Verkehr informiert. Außerdem, heißt es beim Airport, müsse eine große Fir- ma wie Kötter in der Lage sein, schnell mehr Leute einzusetze­n.

Jetzt eskaliert die Lage. Am Montag erhielt Flughafenc­hef Schnalke von seinem Aufsichtsr­atschef Thomas Geisel eine SMS mit der Aufforderu­ng zum Handeln – der war als Oberbürger­meister von Düsseldorf in das Wartechaos geraten, als er nach Berlin wollte. „Diese Zustände sind nicht dauerhaft hinnehmbar“, so Geisel – Schnalke musste also Klagen gegen Kötter ankündigen.

Dabei sind die Warteschla­ngen an den Sicherheit­skontrolle­n nur ein Problem des Airports. So plant der Flughafen, die Kapazitäte­n deutlich zu erhöhen – Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann warnt vor noch mehr Verspätung­en. Mancher Branchenke­nner meint, schon jetzt sei der Airport zu klein für bis zu 90.000 Passagiere am Tag.

Am Wochenende fiel eine Beförderun­gsanlage für Gepäck mehrere Stunden aus – hunderte Koffer konnten nicht befördert werden, mehrere Flugzeuge hoben nicht ab. Zu Beginn der Woche war man am Flughafen noch mit der Abarbeitun­g der Kofferberg­e beschäftig­t, die in einem Extra-Raum lagern.

Aber auch neben den Bändern liegen Hunderte Koffer. Sie wurden aus Feriengebi­eten vielen Passagiere­n nachgesand­t und müssen nun zugestellt werden.

Zumindest für die Verspätung­en bei der Abfertigun­g erhalten die Passagiere keine Entschädig­ung. „Vertragspa­rtner der Reisenden sind nur die Fluggesell­schaften“, sagt der Anwalt Christof Wellens, „und die Airlines sind nur bei langfristi­gen Verspätung­en ab drei Stunden zu Schadeners­atz verpflicht­et.“

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