Der Kunst-Lotse vom Ehrenhof geht
Nach mehr als zehn Jahren endet Beat Wismers Zeit als Generaldirektor des Museum Kunstpalast. Oft gab’s Streit ums undichte Dach.
DÜSSELDORF Schön war’s auf jeden Fall. Und erfolgreich auch. Doch Düsseldorf ist bald Vergangenheit. Das Museum Kunstpalast. All die großartigen Ausstellungen. Die Bilder. Das Herzblut. Die Kollegen. Die Kämpfe um Geld und die Kämpfe gegen Windmühlen, um endlich ein dichtes Museumsdach zu haben. Der Lotse geht von Bord. Nach zehn Jahren plus Verlängerung. Nach 18 anspruchsvollen Ausstellungen unter seinem kuratorischen Blick, elf davon hat er alleine gestaltet. Der größte Erfolg: „El Greco und die Moderne“mit mehr als 180.000 Besuchern. 409.000 Menschen kamen 2012 in den Ehrenhof. Auch der damalige Bundespräsident Gauck, der sich von Wismer führen ließ.
Grotesk und für die meisten nicht nachvollziehbar ist das sich über Jahre hinziehende Gutachter-Verfahren zur Feststellung von Schuld. Bevor das nicht geklärt war, konnte nicht repariert werden. Der Sammlungsflügel, eines der Zugpferde des Museum Kunstpalast, blieb in der zweiten Etage geschlossen. Die Mühe der Neupräsentation schien vergebens. Wismer spricht von Tiefpunkt, von jenem unschönen Moment, „wo man realisiert, dass in der Politik nichts sofort geht, sondern erst einmal die Juristen das Sagen haben.“Öffentlich hat er nie geklagt. „Ich bin nicht gerne enttäuscht“, sagt er. So hat er sich in attraktive Wechselausstellungsprojekte gestürzt.
Dass er sich zu Beginn der Düsseldorfer Gespräche keine verbindlichen Zusagen über seine Mittel hat geben lassen, war ein Fehler. Das bereut er. Der Ausstellungsetat in Höhe von 1,5 Millionen, den sein Vorgänger alleine vom Hauptsponsor und Partner Eon jährlich erhalten hatte, gab es mit Wismers Amtsbeginn nicht mehr. Im Laufe der Jahre verschlankte der Energiekonzern immer mehr sein Sponsoring, das in der Form der ppp (Public Private Partnership) zum Ende dieses Jahres beendet wird. Eon, für deren Neubau der Firmenzentrale einst der alte Kunstpalast abgerissen wurde, ist mittlerweile weggezogen aus Düsseldorf.
Ob mit oder ohne Eon, die meiste Zeit musste Wismer um Besuchergunst buhlen, ohne den attraktiven Sammlungsflügel geöffnet zu haben. Beat Wismer machte aus der Not eine Tugend. Einen Bilderbogen der Kunst breitete er aus, führte die Reihe „Spot on“ein und fand in den Räumen oft geniale Lösungen der Präsentation. Ein Museum ist kein Warenhaus, sagte er einmal vor Jahren im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Erleben von Kunst war ihm wichtig, nicht das Event. Nie wird man den farbigen riesigen Raum vergessen, den die Malerin Katharina Grosse ins Zentrum ihrer Ausstellung setzte, nie die „Meta Maxi“, den sich lautstark bewegenden Koloss von Jean Tinguely, den Wismer von den Schweizer Kollegen ausgeliehen bekam.
Dass die National Gallery in Washington El Grecos Meisterwerk „Laokoon“nach Düsseldorf verreisen ließ, war für Wismer fast das größte Geschenk. War es doch mehr als ein Vertrauensbeweis, eine Anerkennung seiner Arbeit. Dank dieser Zusage erhielt er weitere Zusagen, um die grandiose Ausstellung in Düsseldorf überhaupt realisieren zu können.
Wenn Menschen sich begeistern lassen, führte sie der Kunst-Lotse vom Ehrenhof besonders gerne durch sein Haus. Mit Gauck sah er gemeinsam El Greco an, mit Demi Moore Gurskys Fotoschau, Klitschko hat er dummerweise verpasst, Matthias Döpfner war inkognito da. Und Wim Wenders, mit dem er sich freundschaftlich verbunden fühlt, traf er zum allerersten Mal als Ausstellungsbesucher in seinem Museum.
Im Rückblick gab es einige Wechselbäder der Gefühle, doch Beat Wismer tritt nicht zurück. Man habe das Restaurant unterhalb der Aurora verloren, aber zumindest die Liegestühle rund um den Brunnen erstritten. Sicher, man hätte den Ehrenhof mehr beleben können. Natürlich hätte dem Haus eine ordent- liche Gastronomie gut getan. Man hätte Wismer vielleicht ersparen können, im Jahr des großen Erfolgs mit El Greco und Andreas Gursky – eine Million Gewinn wurden damals erwirtschaftet – eine EffizienzUntersuchung einzuleiten. Eon und die Stadt hatten diese in Auftrag gegeben; am Ende davon standen schmerzhafte Personalkürzungen, die Budgets fürs Marketing wurden radikal beschnitten.
Museumschef zu sein, ist ein Privileg, ein Geschenk, sagt Wismer, die Nähe zu den Künstlern, Galeristen und Sammlern. Besonders aber die Stille im Haus am Montag, dem Luxustag. „Bilder tun gut“, sagt er. Am liebsten ist er alleine mit einem Bild. Das Zwiegespräch kann berührend sein, ihn schaudern lassen.
Dieses Privileg verliert er mit dem Ausräumen des Schreibtischs Ende September. Im Oktober wird er mit seiner Frau nach Zürich ziehen. Ein neues Leben beginnt. Ruhiger wird es. Und das ist gut so. „Die Energie, zu kämpfen, lässt nach.“Die Mitarbeiter haben ihn freundlich verabschiedet. Aufmerksame Geschenke gab es, Killepitsch und eine Trommel aus Sierra Leone. Wenn er also einmal wehmütig wird, kann er sich einen Düsseldorfer Schnaps genehmigen und Botschaften an den Rhein trommeln.