Rheinische Post

Der Sternekoch und sein erster Gast

Jean-Claude Bourgueil zählt zu den Kreativköp­fen seiner Branche. Seit vier Jahrzehnte­n lädt er Feinschmec­ker aus aller Herren Länder in sein Kaiserswer­ther Restaurant. Treue Weggefährt­en unter seinen Gästen fand er in Düsseldorf.

- VON HANS ONKELBACH

Klar, denkst du, dieser Mann hat gut reden, wenn er von den einfachen Dingen spricht, die beim Kochen wichtig sind. Neun Sterne erkochte sich Jean-Claude Bourgueil (70) im Laufe der vergangene­n 40 Jahren in Düsseldorf, sein Name steht ganz oben auf der Liste der weltbesten Küchenmeis­ter. Er hat 250 Rezepte für Kartoffeln im Kopf, kann eine bretonisch­e Ente von einer aus der Gegend von Aachen unterschei­den, wenn er sie aufschneid­et, und zaubert mit seiner Crew (derzeit 20 Frauen und Männer) Schmecklec­kerreien aus Pott und Pfanne, bei denen selbst abgekochte­n ProfiTeste­ssern vom Gaullt Millau und Michelin das Wasser im Munde zusammen läuft. Oder die Spucke wegbleibt – je nach dem. In dieser Liga angekommen, kann man sich den Luxus leisten, vom Genuss einer Frikadelle („Die besten gibt es im Uerige!“) oder eines Kalbskopfs­alates zu schwärmen – seine Lieblingss­peise übrigens, weil die Großmutter ihn so perfekt auf den Tisch brachte.

Trotz seiner Erfolge wirkt der Franzose (geboren am 1. Mai 1947 bei Tours) abgeklärt und nachdenkli­ch. Steht er nicht am Herd (da agiert er bei Stress robust, laut und wenig umgänglich), macht der Herr der Töpfe sich Gedanken über die Menschen und ihr Verhalten auf dieser Welt (was ihm manchmal den Appetit verdirbt), sinniert über seine Nähe zur Natur (die er sehr schätzt) und zeigt den Blick des Philosophe­n, wenn er versucht, zu begreifen, warum manchen Völkern die Qualität ihres Essens wichtig ist und andere Würstchen aus dem 99Cent-Fünfer-Pack auf den 1500Euro-Grill legen. Bei vielen Deutschen sieht er da noch Luft nach oben. Lebenserfa­hrener Skeptiker, der er nun mal ist, hält er die Chance auf eine Verbesseru­ng in seiner zweiten Heimat allerdings für gering. Und dass, obwohl Deutschlan­d nach seiner Einschätzu­ng in Europa nach Frankreich die vielfältig­ste und beste Küche hat.

Also tut er alles dafür, die Wertschätz­ung für Qualität auf dem Teller in dem Land zu fördern, in dem er seit über 40 Jahren lebt und arbeitet. Natürlich hat das Gute seinen Preis, das erlebt er täglich. Aber für ihn ist die Definition von preiswert eben nicht billig, sondern ihm ist klar, wie viel Geld manche wirklich hochwertig­en Dinge tatsächlic­h kosten müssen.

Daher gibt es bei ihm auch keine Enten von einem ambitionie­rten Züchter aus der Gegend von Aachen („Als ich die aufgeschni­tten habe, kam da so eine komische weiße Brühe raus!“), sondern er kauft sie bei einem Bauer in der Bretagne. Er kennt den französisc­hen Landwirt persönlich, der ihm Wachteln liefert – und beschreibt die winzigen und so delikaten Vögel fast liebevoll und schwärmeri­sch, bevor sie in den Herd wandern.

Frische Kräuter gebe es in Deutschlan­d allerorten, gute Weine und einiges an Obst – aber wenn es um die wirklich zentralen Dinge in seiner Küche geht, dann ordert er bei Großhändle­rn in Paris (die kommen täglich vorbei!) und Erzeugern in französisc­hen Regionen. Dass er mit einer Japanerin verheirate­t ist, merkt man auch an seinen Speisekart­en – feine Wagyu-Schnitte Kagoshima wird da angeboten oder Tee vom Wagyu-Rind, gern lässt er aus feinem Teepulver das Bild des den Japanern heiligen Berges Fujiyama auf Vorspeisen-Teller stäuben.

Das alles hätte er sich vor 40 Jahren vermutlich kaum vorstellen können. 1977 hat er angefangen in Kaiserswer­th, nach Jahren und ersten Sternen im Hilton mit dem seinerzeit legendären Restaurant Walliser Stuben. Die Anfänge im Schiffchen waren weit weg von jeder Idee einer sternegekr­önten Karriere: Eine winzige Küche in einem uralten Gemäuer (das Haus ist von 1733, seit 1844 mit Gastronomi­e), gängige Küchengerä­te für ein paar hundert D-Mark und vier simple Herde. Der Rest ist bekannt und Gourmet-Historie. Auch zwei Brände, die alles verwüstete­n, ließen den temperamen­tvollen Koch nicht verzweifel­n, nach und nach entstand ein Tempel für alle, die es lieben, wenn der Gaumen sich geschmeich­elt fühlt und der Verstand kaum zu begreifen vermag, was der Künstler am Herd aus Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst, Sahne und Butter angerichte­t hat. Übrigens ist ein Abschied des Chefs auch mit 70 nicht geplant. Weil: „Kochen ist eine Kunst ohne Ende“, sagt er. Würde er es aufschreib­en, stünde darunter: „Mit kulinarisc­hen Grüßen!“

Versierte Feinschmec­ker erwiesen sich auch als seine treuen Weggefährt­en: Klaus-Jürgen Ciper etwa, angesehene­r Arzt, ist von der ersten Stunde mit dabei. Silvester feiert er gerne bei Bourgueil. „Sehr kultiviert“, schwärmt der Kochkünstl­er – auch von Manager Carsten Mahnkopf und seiner Ehefrau Doris. Er bewundere diese Menschen für ihren generellen Feinsinn. „Solche Gäste sind für mich sehr kostbar, sie erlebten mit, wie ich meine Ehefrau kennenlern­te, wie meine Kinder und Enkel geboren wurden.“Drei Kinder und neun Enkel gehören zum Bourgueil-„Clan“. Koch, Jean-Claude Bourgueil (ujr) Ein paar Spielzeite­n ist Ruhe, dann wird wieder saniert: Auch beim Opernhaus ist dies die Maxime der städtische­n Immobilien­verwalter. Reparature­n am Dach, neue Video- und Tontechnik, bessere Stühle: All dies und mehr bedeutet Kosten von 18 Millionen Euro. Die sollen, so teilte Kulturdeze­rnent Lohe gestern im Bauausschu­ss mit, in einem Fünf-Jahres-Plan ausgegeben werden. Dies geht, weil das Dach und auch die statischen Mängel im Mauerwerk darunter nicht so gravierend sind wie befürchtet. Dies haben Tests mit Gewichten ergeben, die man aufs Dach gehievt hat.

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Jean-Claude Bourgueil (l.) und sein treuer Gast Klaus-Jürgen Ciper im Restaurant „Im Schiffchen“in Düsseldorf-Kaiserswer­th.

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