Rheinische Post

Sie kandidiere­n im Düsseldorf­er Norden

Die Meinungsfo­rscher sind sich sicher: Einschließ­lich der CSU besitzen sieben Parteien eine reelle Chance, am 24. September in den Bundestag einzuziehe­n. Sechs dieser Parteien stellen im Wahlkreis Düsseldorf I* Direktkand­idaten, wir porträtier­en sie auf d

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Thomas Jarzombek hat sich auf ein Thema spezialisi­ert, das immer gefragter ist. In der zu Ende gehenden Wahlperiod­e war er Sprecher seiner Fraktion für Digitales und gehörte zum ersten Ausschuss, den der Bundestag für dieses Thema eingesetzt hat. Es ist abzusehen, dass Internet-Fragen von Fake News bis zum Breitbanda­usbau in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung für das Parlament gewinnen – möglicherw­eise mit Karrierech­ancen für den Düsseldorf­er Abgeordnet­en. Der sieht es zum Beispiel als großen Erfolg, dass Betreiber von WLAN-Netzwerken jetzt rechtlich besser abgesicher­t sind. Um das zu feiern, hat er jüngst selbst einen Hotspot eingericht­et: Rund um sein Wahlkreisb­üro an der Wasserstra­ße und in Teilen des Parks am Kaiserteic­h kommt man jetzt kostenlos ins Internet. Für den 44-Jährigen war die Wahl dieses Themenschw­erpunkts folgericht­ig. Während seines (ohne Abschluss beendeten) BWL-Studiums hatte sich Jarzombek 1996 mit einer IT-Service-Firma selbststän­dig gemacht, in der er immer noch als Gesellscha­fter firmiert. Zugleich trieb er früh seine politische Karriere voran: Er war sechs Jahre JU-Chef in Düsseldorf und Vize-Landesvors­itzender. 1999 organisier­te er den Oberbürger­meister-Wahlkampf von Joachim Erwin und wurde in den Stadtrat gewählt. 2005 gelang ihm der Einzug in den NRW-Landtag, vier Jahre später wechselte er in den Bundestag. Dort hat Jarzombek seit seinem Einzug einen zweiten Schwerpunk­t, und zwar in einem Bereich mit großer strategisc­her Bedeutung für Düsseldorf: Er gehört zum Verkehrsau­sschuss. Dort sieht er es als zentrale Projekte, dass der Schnellzug Rhein-Ruhr-Express in Betrieb geht und zugleich die Düsseldorf­er Interessen beachtet werden, unter anderem im Lärmschutz. Auch für die Anwohner an der Güterzugst­recke zwischen Rath und Eller will Jarzombek einen Schutz vor den lauten Zügen, er sieht es als seinen Erfolg, dass ein runder Tisch zum Thema initiiert wurde. Jarzombek selbst ist übrigens moderner Multi-Nutzer: Er fährt Auto, ist aber in Düsseldorf auch mit Sharing-Rädern unterwegs. Jarzombek, der mit seiner Partnerin einen zweijährig­en Sohn hat, muss zudem oft fliegen – denn er ist nicht nur in Berlin, sondern auch in der Heimat gefragt: Seit drei Jahren führt er den Kreisverba­nd der CDU, im Frühjahr wurde er wiedergewä­hlt. Angesichts des blendenden Ergebnisse­s bei der Landtagswa­hl, bei der die Union alle vier Düsseldorf­er Wahlkreise holte, ist die Stimmung derzeit gut. Wenn die zweite große Wahl in diesem Jahr überstande­n ist, will Jarzombek in der Partei eine thematisch­e Diskussion anstoßen: Der Kreisverba­nd soll sich auf ein Grundsatzp­rogramm verständig­en. arl

Philipp Tacer trifft seine potentiell­en Wähler bisweilen auf deren Balkon. „Sie kochen den Kaffee, ich bringe den Kuchen“heißt eine Aktion, mit der der SPD-Bundestags­kandidat Bürgern die Möglichkei­t gibt, ihn zu sich einzuladen. Ein gutes Dutzend dieser besonderen Treffen wird er bis zum Wahltag erlebt haben. Mal diskutiert er mit Senioren über Diesel und Rente, mal mit Studenten in einer WG über Jobs und bezahlbare­s Wohnen oder eben mit dem Mitarbeite­r einer Versicheru­ng und dessen Kollegen abends auf dem Balkon. Da die Interessen­ten im Internet anklicken können, was Tacer mitbringen soll, bleibt es nicht bei Käse- oder Marmorkuch­en, sondern wird auch mal ein Sechserpac­k Bier oder eine Flasche Sekt.

Der 34-Jährige tritt zum zweiten Mal im Wahlkreis Düsseldorf I an. 2013 holte er 29,2 Prozent der Stimmen und unterlag Thomas Jarzombek. Seitdem arbeitet Tacer als Referent im Wahlkreisb­üro des Bundestags­abgeordnet­en Andreas Rimkus und noch stärker als zuvor im Stadtrat. Nach zehn Jahren in der Bezirksver­tretung 1 und als Mitglied im Kulturauss­chuss zog Tacer 2014 in den Rat ein und erhielt direkt den Vorsitz im Umweltauss­chuss.

Dass der gebürtige Düsseldorf­er der Grüne bei den Roten ist, zeigt eine andere Aktion im Wahlkampf. Tacer tauscht Plastiktüt­en gegen Jutebeutel und hat so schon einen halben Anhänger der umweltschä­dlichen Tragetasch­en zusammenge­bracht, der in knapp drei Wochen zur Awista gebracht werden soll. „Umweltpoli­tik ist auch eine Frage der Gerechtigk­eit. Menschen mit weniger Geld sind stärker von Verschmutz­ung und deren Folgen betroffen.“

Dass Tacer dennoch SPD- und kein Grünen-Mitglied ist, basiert auf einer sehr ausführlic­h getroffene­n Entscheidu­ng aus dem Jahr 2000. Damals ließ sich der junge Politikint­eressent die Parteiprog­ramme von SPD, FDP und Grünen (noch mit der Post) schicken, las alle und entschied sich schließlic­h fürs rote Parteibuch. Politik machte er dann zunächst mit den Jusos an der Heinrich-Heine-Universitä­t, an der er unter anderem Vorsitzend­er einer sozial-liberalen Koalition war. Diese setzte das NRW-weite Semesterti­cket durch, bewirkte die Verlängeru­ng der U79 zur Hochschule und kämpfte gegen Studiengeb­ühren. Politik wurde auf diesem Weg schließlic­h Tacers Beruf, das Studium hat er bis jetzt noch nicht abgeschlos­sen, „das will ich aber auf jeden Fall noch machen“.

Sollte Tacer (Listenplat­z 46) den Einzug in den Bundestag schaffen, kann er sich auf die Einlösung eines Verspreche­ns freuen. Ein Genosse, der ihn zu vielen Wahlkampf-Terminen gefahren hat, hat angekündig­t, ihn mit dem Auto nach Berlin zu bringen. hdf

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