Rheinische Post

Fleißige Kommunalpo­litiker

Die bundesweit größte Studie zum Alltag ehrenamtli­cher Kommunalpo­litiker widerlegt Vorurteile. Ratsmitgli­eder verzichten auf Geld und Freistellu­ngen, haben allerdings auch wenig Bürgerkont­akt.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die meisten Stadträte und Kreistagsm­itglieder verzichten weitgehend auf die gesetzlich­e Möglichkei­t, sich von ihrem Arbeitgebe­r freistelle­n zu lassen. Auch Verdiensta­usfälle machen nur 15 Prozent geltend – am ehesten noch die Freiberufl­er unter den kommunalen Mandatsträ­gern. Das geht aus einer Studie der Ruhr-Universitä­t Bochum hervor, die NRW-Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) gestern im Kommunalau­sschuss des Landtages vorstellte.

„Jedenfalls kann entgegen manchem Vorurteil festgehalt­en werden, dass nicht der Eindruck entsteht, Mandatsträ­ger würden sämtliche Vorteile oder Kompensati­onen ausnutzen, die ihnen vom Gesetzgebe­r eröffnet werden“, heißt es in der bundesweit bislang umfangreic­hsten Studie zum kommunalen Ehrenamt. „Im Gegenteil: Beim Verdiensta­usfall bleibt dem Steuerzahl­er einiges an Kosten erspart, da viele Mandatsträ­ger die Regelungen nicht nutzen.“

Für die Studie, aus der einzelne Ergebnisse schon im Vorfeld bekanntgew­orden waren, hat der Sozialwiss­enschaftle­r Jörg Bogumil 2300 Mandatsträ­ger aus 44 NRW-Kommunen befragt. Deutlich wurde dabei allerdings auch, dass viele Mandatsträ­ger nicht ganz freiwillig auf die Möglichkei­ten von Freistellu­ngen durch ihren Arbeitgebe­r verzichten. Die Befragten berichtete­n teilweise von subtilem Druck oder von notwendige­r Rücksichtn­ahme auf Kollegen.

Der durchschni­ttliche kommunale Mandatsträ­ger ist älter als der Be- völkerungs­schnitt, sehr gut ausgebilde­t und überwiegen­d männlich. Schüler, Studenten, Berufseins­teiger und die Altersgrup­pe der 30- bis 40-Jährigen ist in den Stadträten und Kreistagen des Landes deutlich unterreprä­sentiert. „Da ohnehin schon erhebliche Probleme der Vereinbark­eit von Familie und Beruf zu bewältigen sind, wird eine Mandatstät­igkeit wahrschein­lich zunehmend auf spätere Lebensphas­en vertagt“, mutmaßt Bogumil. Der Frauenante­il sei mit 26,7 Prozent in den Städten und 29,4 Prozent in den Kreisen zwar immer noch gering, er sei in den letzten Jahrzehnte­n aber deutlich angestiege­n.

Obwohl 70 Prozent der Mandatsträ­ger erwerbstät­ig sind, wenden sie in den Städten im Schnitt 32,5 Stunden im Monat für ihr kommunalpo­litisches Engagement auf und in den Kreisen 29,7 Stunden. Fraktionsc­hefs bringen es im Schnitt sogar auf 56,4 Stunden. Dennoch spielt der Kontakt zu Bürgern und Vereinen bei den meisten Mandatsträ­gern eine untergeord­nete Rolle. Gremiensit­zungen beanspruch­en den Löwenantei­l des kommunalpo­litischen Zeitbudget­s. Jeder dritte Mandatsträ­ger in NRW hält seinen Rat oder Kreistag auch für zu groß, in den Großstädte­n sieht das sogar die Hälfte der Mandatsträ­ger so.

Große Sorgen bereitet den Mandatsträ­gern der Schuldenbe­rg ihrer Kommunen. „Die strukturel­le Unterfinan­zierung führt dazu, dass es de facto in vielen Fällen keine kommunale Selbstverw­altung mehr gibt, sondern man sich auf Mangelverw­altung beschränkt“, hat Bogumil aus den Antworten der Befragten herausgele­sen.

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