Rheinische Post

Borussia kämpft gegen das Frankfurt-Trauma

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Gibt es etwas Schlimmere­s, als einen verlorenen Titel? Nein. So gehört dem im Mai 1980 in den Endspielen gegen Eintracht Frankfurt (3:2, 0:1) verlorenen Uefa-Cup der ewige erste Platz in der Skala aller Niederlage­n von Borussia Mönchengla­dbach gegen die Hessen. Das 0:4, das die Gladbacher am 11. September 2010 kassierten, ist indes in seiner Tragweite beachtlich: Es kam nach einem grandiosen 6:3 in Leverkusen und markierte nach dem Höhepunkt den Anfang vom Ende der Ära Michael Frontzeck. Erst nach einem Trainerwec­hsel und in der Relegati- on konnte der Abstieg verhindert werden.

Doch dem 0:4 gebührt nur Listenplat­z drei. Denn emotional ist das 6:7 gegen die Eintracht im Elfmetersc­hießen im Pokal-Halbfinale 2017 viel extremer. „Es war der Tiefschlag der vergangene­n Saison“, sagt Kapitän Lars Stindl. Frankfurt ist zum Symbol geworden für alles, was Borussia verpasste: Das Mehr im Europapoka­l. Die Europa-Plätze in der Liga. Das Pokal-Finale. Dieses Halbfinale ist die Mutter aller Niederlage­n der jüngeren Borussia-Geschichte.

Und nun, nur 138 Tage nach dem traumatisc­hen Erlebnis, kommt die Eintracht wieder in den Borussia- Park. „Andere Mannschaft­en, ein anderer Wettbewerb“, sagt Trainer Dieter Hecking. Darum sei es ein „ganz normales Spiel, keine Revanche“. Nüchtern betrachtet ist es auch so: Es geht um drei Bundesliga-Punkte, und die sollte Borussia holen, „dann wären wir im grünen Bereich“, sagt Hecking. Sieben Punkte aus drei Spielen, das wäre ein guter Start. Aber, und an dem Punkt kommen die beiden bösesten Frankfurt-Niederlage­n der Neuzeit zusammen: Auch 2010 hatte Borussia vier Punkte vor dem EintrachtS­piel – und Frankfurt zerschoss die Euphorie wie nun im April.

Das kann nicht einfach so unter den Teppich gekehrt werden. Zu groß war der Traum, der platzte. Die Niederlage sitzt noch immer wie ein giftiger Stachel tief in der BorussenSe­ele. Und der muss raus. Auch wenn es für Dieter Hecking nach medialer Hyperaktiv­ität klingt, muss man es so sagen: Nur ein Sieg gegen die Hessen wäre Balsam auf die klaffende Frankfurt-Wunde. Ein Sieg wäre auch eine psychologi­sch wohltuende Botschaft. Für die Fans. Und für die Borussen. Sie alle wollen besser sein als in der vergangene­n Saison, sie wollen zurück nach Europa. Und dafür müssen insbesonde­re Heimspiele gewonnen werden. Schafft Borussia das heute, hätte sie auch ein Stück FrankfurtT­rauma verarbeite­t.

Die Halbfinal-Niederlage muss aber auch eine Mahnung sein. Damals war die Siegessich­erheit groß angesichts des vermeintli­ch günstigen Loses. Berlin war gedanklich quasi schon gebucht. Das machte das Spiel extra-komplizier­t. Komplizier­t wird es heute erneut, auch wenn es um drei Punkte geht, statt ums Endspiel. Was in dem Kontext bedeutet, dass der Ex-Borusse Branimir Hrgota, der im Pokal den entscheide­nden Elfmeter verwandelt­e, heute vor dem 100. Bundesliga­spiel steht? Nun, der Fußball wird sich dazu eine Geschichte ausdenken. Die Borussen sind zumindest darauf aus, zu verhindern, dass es wieder ein Heldenepos wird.

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Gladbacher Traurigkei­t: Jannik Vestergaar­d nach dem Halbfinal-Aus.

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