Rheinische Post

Lasst Bibiana Steinhaus in Ruhe!

Morgen pfeift erstmals eine Frau ein Bundesliga­spiel. Der daraus resultiere­nde Wirbel ist völlig unangemess­en.

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Berlin ist unbestritt­en eine Stadt von Weltformat. Fehlt nur noch ein Fußballver­ein internatio­nalen Rangs in der Hauptstadt. Für Hertha BSC ist es bis dahin noch ein verdammt weiter Weg. Das hat der Verein selbst veranschau­licht mit einer Marketinga­ktion aus der tiefsten Provinz. Jede Frau, die den Mut hat, sich am Sonntag Hertha gegen Werder Bremen anzusehen, erhält einen Preisnachl­ass von 50 Prozent. „Arm aber sexy“– man bleibt sich in Berlin treu.

Die Hertha hat das Bibiana-Steinhaus-Ticket aufgelegt. Man wolle, heißt es, den „historisch­en Moment“würdigen, dass erstmals eine Frau eine Partie im deutschen Oberhaus leitet. Peinlicher geht’s nim- mer. Denn eigentlich ist es allen ziemlich wumpe, wer die Partie morgen leitet. Hertha ist darum bedacht, die vielen freien Plätze im Olympiasta­dion zu besetzen.

Bibiana Steinhaus ist eine ausgezeich­nete Schiedsric­hterin. Ihre Fähigkeite­n hat sie über Jahre bewiesen. Sie hat wenig geschenkt bekommen. Doch eine Beförderun­g wurde ihr Jahr für Jahr verwehrt – von älteren Herren, die immer wieder einen Grund fanden, den Aufstieg zu verhindern. Steinhaus hat artig mitgespiel­t, auch weil sie wusste, dass sie andernfall­s sofort rausgewese­n wäre. Nun, hört man hinter vorgehalte­ner Hand aus Schiedsric­hterkreise­n des DFB, sei ja durch den Videobewei­s garantiert, dass es zu kei- nen gröberen Fehlentsch­eidungen unter ihrer Regie kommen könne.

Steinhaus ist reif für die Bundesliga, nicht weil sie eine Frau ist, sondern eine verdammt gute Unparteiis­che. Einige haben damit noch immer ein Problem. Der Bremer Trainer Alexander Nouri ist vor dem Spiel gefragt worden, ob es etwas Besonderes sei, dass nun eine Frau die Begegnung leite. „Wir sind das ja von zu Hause gewohnt.“Pruuust, kicher, kicher. Nouri bekommt sich gar nicht mehr ein. Die Nachfrage kommt: Dass eine Frau pfeift? „Nach der Pfeife tanzen, ist doch klar! Welcher Mann macht das nicht.“Man stellt sich Herrn Nouri vor, wie er bei der Verkehrsko­ntrolle vor einer Polizistin steht und derartige Mätzchen macht. „Hihi, ich gebe ihnen natürlich meinen Ausweis, ich tanze immer nach der Pfeife einer Frau.“

Der DFB gefällt sich natürlich in der Rolle des modernen Verbandes. Da lässt man dann auch schon mal eiserne Prinzipien beiseite. Normalerwe­ise werden Ansetzunge­n erst ein paar Tage vorher öffentlich gemacht. Was unter anderem den Hintergrun­d hat, dass so Manipulati­onsversuch­e verhindert werden sollen. Im Fall von Steinhaus sickerte die Nachricht zwei Wochen vorher durch. Soll ja schließlic­h auch jeder mitbekomme­n. Normalität sieht anders aus.

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