Rheinische Post

Seniorin gibt Messeratta­cke zu

Nach jahrelange­r Pflege ihres Partners war die 77-Jährige „durchgedre­ht“.

- VON WULF KJANNEGIES­SER

GERRESHEIM Zermürbt durch ihre jahrelange Pflege ihres Lebensgefä­hrten (89) hat eine Rentnerin (77) an einem Septembera­bend 2016 in Gerresheim für einen Moment völlig die Nerven verloren. „Da bin ich durchgedre­ht“, schilderte sie gestern als Angeklagte vorm Amtsgerich­t. So kündigte sie im Beisein eines Betreuers an, sie wäre inzwischen sogar bereit, den demenzkran­ken Partner nach 33 gemeinsame­n Jahren „irgendwann die Treppe hinunterzu­werfen“. Und wie zum Beweis ihrer Verzweiflu­ng führte sie mit einem Küchenmess­er stichartig­e Bewegungen gegen den Rücken des 89-Jährigen aus. Der wurde dabei nicht verletzt. Doch als sie dafür nun angeklagt wurde wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung, hat der Richter eine zunächst verhängte Strafe von 3600 Euro halbiert auf 1800 Euro.

Die Seniorin sagt immer „mein Mann“, wenn sie von dem langjährig­en Lebensgefä­hrten spricht. Und weil sie so lange mit ihm formell in „eheähnlich­er Gemeinscha­ft“lebte und er nun in einem Pflegeheim wohnt, muss sie für seine Heimkosten jetzt sogar die Hälfte ihrer Rente abgeben, muss mit restlichen 600 Euro auskommen. Das sei machbar, gab sie an. Nicht lösbar erschien ihr aber damals die Dauerbelas­tung durch Krankheit und Pflege des Seniors. „Acht Mal war er an dem Tag schon hingefalle­n, lag dann wie ein Maikäfer auf dem Rücken – und ich war ja kaum fähig, ihm allein wieder aufzuhelfe­n!“Zumal sie sich bei einem eigenen Sturz damals gerade die Schulter gebrochen habe, daher dringend operiert werden musste. „Ich habe mir mehr Sorgen gemacht um ihn, als um meine Operation. Aber wie sollte ich ihm klarmachen, dass es ernst ist?“Nur deshalb habe sie in Anwesenhei­t eines Johanniter-Mitarbeite­rs dann mit jenem Messer mehrere Stichbeweg­ungen gegen den Rücken des Partners ausgeführt. Getroffen oder verletzt habe sie ihn aber nicht, habe das nicht mal vorgehabt. „Er sollte nur in ein Pflegeheim gehen, damit ich mich operieren lassen konnte. Allein war er doch nicht mal in der Lage, sich ein Butterbrot zu machen!“Der Richter kam zu dem Urteil: „Ich kann verstehen, dass die Nerven mal blank liegen.“Bei aller Überforder­ung dann zum Messer zu greifen, fand er „aber schon ziemlich krass“. Immerhin hat er die Strafe für die Seniorin nun halbiert. Eine Ratenzahlu­ng dafür lehnte die Rentnerin strikt ab: „Das habe ich noch nie in meinem Leben gemacht, das zahle ich von meinem Notgrosche­n“, versprach sie.

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